Das ganze Wochenende war schönstes Sommerwetter, Temperaturen um die 28°C, blauer Himmel, ein paar weiße Wölkchen. Herrlich! Allerdings immer etwas überschattet von den Gedanken an alle, die gerade in Regenfluten untergehen.
Einer der beliebtesten Plätze hier im sommerlichen Garten ist immer der Walnußbaum, der mit seinen Blättern wunderbaren Schatten spendet. Da hab ich dann auch einige Zeit drunter gesessen und es genossen endlich mal ein bisschen länger am Stück zu lesen.
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Das erste Mal hat sich eine der syrischen Familien aus dem Dorf getraut, unserer Einladung zu folgen. Sie tauchten am späten Samstagnachmittag auf und brachten einen selbstgebackenen Dattel-Nuss-Kuchen mit, den wir in froher Runde zusammen kosteten. Wir unterhielten uns unter anderem auch über den bevorstehenden Ramadan (beginnt morgen).
Den hiesigen Syrer »graust« etwas vor diesem Ramadan. Warum? Weil es hier so lange hell bleibt. Wie sie uns erzählten, ist deshalb die einzige Möglichkeit etwas zu essen und zu trinken zwischen ca. 22:00 Uhr und 2:30 Uhr. Das ist wirklich hart, besonders wenn es dann draußen auch noch so heiß ist, wie im Moment.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum sie mit gemischten Gefühlen dem Ramadan entgegensehen. Der kam allerdings erst zu Sprache, als ich behutsam in diese Richtung nachfragte.
Der Ramadan ist ein Familienfest, d.h. schon im Vorfeld gehen die Familienmitglieder zusammen einkaufen, z.b. Zutaten für die Speisen, die sie während des Ramadans kochen oder backen wollen, vielleicht neue Kleidung und was sonst noch gebraucht wird. Es wird zusammen gekocht und vorbereitet. Kinder kehren zum Ramadan ins Haus ihrer Eltern zurück, wenn sie nicht eh noch dort oder in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnen. Familienmitglieder besuchen sich gegenseitig, ebenso werden enge Freunde eingeladen und/oder besucht. Es ist eine Zeit der Gemeinschaft.
Nun sind sie geflohen, leben in der Fremde und sind plötzlich fast ganz auf sich geworfen. Das Heimweh, das sowieso dauernd da ist, steigert sich nochmals, vermischt mit der Sorge um die in Syrien verbliebenen Familienangehörigen. Fast unter Tränen erzählt die junge Frau, dass sie um der Kinder willen versucht, mit den wenigen Mitteln die sie hier hat, die Zeit des Ramadan zu gestalten. Ich fragte nach ihren Familien und ließ sie ein bisschen erzählen und hatte den Eindruck, dass es ihnen gut tat, dass jemand Interesse an ihren Familien zeigte und verstand, wie schwer es für sie hier ist, gerade jetzt in dieser Zeit des Ramadan von der Familie getrennt zu sein.
Schließlich drucksten sie ein bisschen herum und dann kam die zaghafte Frage, ob wir wohl früh schlafen gingen? Nanu, machten wir so einen müden Eindruck auf sie?
Dazu muss man wissen, dass die meisten Mecklenburger tatsächlich sehr früh ins Bett verschwinden, weil sie morgens auch sehr früh wieder aufstehen. Hier im Dorf herrscht um 22 Uhr so gut wie komplette Nachtruhe und die Fenster in den Häusern sind schon alle dunkel.
Die Syrer haben einen etwas anderen Rhythmus und haben natürlich beobachtet, wie das Dorf quasi kollektiv gegen 22 Uhr in den Nachtschlaf sinkt. Nun also ihre Frage, verbunden mit der Aussage, dass sie uns eigentlich gerne einladen würden, sie während des Ramadans besuchen zu kommen und mit ihnen zu essen. »Aber wenn ihr da schon schlaft, dann wollen wir Euch nicht belästigen.«
Nun, ich konnte sie in unserem Fall beruhigen und ihnen sagen, dass wir deutlich länger als bis 22 Uhr noch auf sind. Strahlendes Lächeln ihrerseits und die herzliche Bitte, dann müssten wir sie auf jeden Fall während des Ramadan besuchen kommen. Das haben wir versprochen zu tun und freuen uns schon darauf.
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Wir unterhielten uns auch über die unterschiedlichen Religionen. Sie stammen aus einer Stadt in Syrien, in der neben Muslimen auch viele Christen, Juden und Inder (in der Hauptsache Hindus und Sikhs) leben. Sie sind das friedlichen Miteinander von Religionen also gewohnt. Es sei selbstverständlich, dass sich Angehöriger unterschiedlicher Religionen, die befreundet sind oder Nachbarn, sich während der jeweiligen großen religiösen Feste besuchen und miteinander feiern.
»Ich schaue mir den Mensch, den ich vor mir habe an. Ist er ein guter Mensch, dann kann ich mit ihm leben. Ist er ein schlechter Mensch, geh ich ihm aus dem Weg und vermeide den Kontakt. Das hat nichts mit der Religion zu tun. Es gibt gute und schlechte Menschen in allen Religionen. Für mich zählt in erster Linie, wie der Mensch ist und lebt, wie er mit anderen Menschen umgeht und nicht, was er glaubt.«
- S.
So einfach kann es sein und ja, es ist möglich, dass Angehöriger unterschiedlicher Religionen friedlich zusammenleben und sich auch von Extremisten und Hetzern nicht von einer solchen Haltung abbringen lassen.
Dass es in Syrien auch andere Gegenden gibt, in denen diese friedliche Koexistenz nicht oder nicht mehr funktioniert, verschwiegen sie übrigens auch nicht. Ihr Bedauern und Unverständnis darüber, kam deutlich zum Ausdruck.
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Schließlich kam dann noch der tolle Moment, in dem ich zum ersten Mal in meinem Leben von mir selbst gezogene Radieschen und ebenso die erste meiner auf dem Balkon selbstgezogenen Mini-Schlangen-Gurken ernten konnte.
»In einem Garten in einem kleinen Dorf in Mecklenburg wurde am Sonntagnachmittag ein Honigkuchenpferd gesichtet!«
Auch wenn man älter ist: Vieles zum ersten Mal im Leben machen, tun, erleben, sehen, sich dran freuen, kennenlernen…Das war ein wunderbarer Blogartikel!