»Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich darüber nachdenke, die Seite zu wechseln und für die Industrie zu forschen. Ich könne dort doppelt so viel Geld verdienen. Mein Arbeitsgebiet ist die Grundlagenforschung. Ich erforsche das menschliche Gehirn, und meine Arbeit kann dazu beitragen, Krankheiten zu verstehen und neue Medikamente zu entwickeln, zum Beispiel gegen Alzheimer. Bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft würde ich wohl meine Unabhängigkeit verlieren. Ich müsste am Fließband Substanzen prüfen und dafür sorgen, dass eine Firma Geld verdient.
So naiv das klingt: Ich wollte immer etwas tun, wovon die Menschheit profitiert, nicht ein einzelnes Unternehmen. Trotzdem ist der Wechsel eine Option geworden: Ich verdiene 900 Euro netto. Ein Drittel geht für die Miete drauf, 100 Euro für die Altersvorsorge und etwa 200 Euro für Lebensmittel. Mein Geld reicht nicht fürs einkaufen im Bioladen, ich kann mir nur den Discounter leisten. Neulich habe ich ein Auto geerbt, da musste ich erst mal rechnen: Steuern, Versicherung, Benzin. Kann ich mir das leisten?
Ich bin fast 30 und denke langsam auch über das Thema Familie nach: Wenn meine Freundin jetzt schwanger werden würde, müssten wir beide weiterarbeiten. Mit meinem Einkommen könnte ich keine Familie durchbringen. Ich muss mir bewusst machen, dass es für mich finanziell wohl niemals rosig wird. Trotz zehnjähriger Ausbildung und Doktorarbeit. Das ist bitter.«
Quelle: Reader’s Digest Juni 2009, Artikel: »Sozialhilfe«, S. 139-145 (hier S. 145)
Obiger zitierter Artikel befaßt sich mit dem Thema, das soziale (und damit häufig auch idealistisch motivierte) Berufe (wie Altenpfleger, Streetworker, Krankenschwester oder Grundlagenforscher in Bereichen wie Medizin, Pharmazie und Biologie) in Deutschland häufig so schlecht bezahlt und wenig wertgeschätzt werden. Kein Wunder also, wenn junge gut ausgebildete Leute in Scharen das Land verlassen oder sich eben kaum noch junge Forscher finden, die in die Grundlagenforschung gehen bzw. auf Dauer dort bleiben wollen.
Ein anderer Aspekt ist, dass Verträge sehr oft nur befristet sind und nach fünf oder sechs Jahren gar nicht mehr verlängert werden. Das macht es für diejenigen, die gerne weiter forschen würden, nicht einfach.
Diese Praxis hängt ja aber auch mit den knappen Finanzen für solche Forschungen zusammen - wobei mir auch Fälle mit deutlich kürzerer Laufzeit bekannt sind. Für die jungen Nachwuchsforscher gilt dann die Devise: Vogel friß oder stirb (gleich)
Die Einzellaufzeiten waren bei uns auch kürzer. Die fünf bzw. sechs Jahre waren bei mir der kumulierte Endstand.