Mir geht immer noch dieser Beitrag gestern in den Nachrichten nach, in dem von den Protesten vor einem Berliner Asylbewerberheim berichtet wurde. Stell Dir vor, Du bist vor dem Bürgerkrieg in Deinem Land geflüchtet, und landest in Berlin-Hellersdorf in einem Asylbewerberheim, vor dessen Türen ein Mob tobt, der Dir deutlich zu verstehen gibt, dass er Dich am liebsten gleich wieder von hinten sehen will. :( Die Äußerungen der Protestierenden, treiben mir das Schamrot ins Gesicht. Soviel Fremdschämen kann man sich gar nicht! Ich hoffe nur, dass das Asylbewerberheim gut geschützt wird. Diesem Mob bzw. Teilen davon traue ich glatt das Zündeln oder gewaltsame Übergriffe zu. :(
Vielleicht sollte man diese Asylbewerberheime einfach nach und nach abschaffen (die Zustände darin sind meist eh unter aller Kanone und die Menschen sind dort über Jahre isoliert; meist liegen die Heime ja eh schon in Randgebieten, um Spannung mit Einheimischen zu vermindern). Man könnte doch mal eine Kampagne starten, in der die Bevölkerung gebeten wird, einzelne Flüchtlinge oder sogar ganze Familien bei sich selbst aufzunehmen. So würde eine Isolierung der Flüchtlinge vermieden, es käme zu interkulturellem Austausch, die Flüchtlinge hätten viel mehr Möglichkeiten tatsächlich Kontakte zu Einheimischen aufzubauen, die Sprache zu lernen, bei Fragen Ansprechpartner zu haben, etc. etc. Natürlich müsste man parallel dazu den zeitlichen Rahmen der Bearbeitung eines Asylantrags beschleunigen. Dass viele Asylbewerber jahrelang auf den Bescheid warten müssen, ist unmöglich! Ihr meint, die Idee ist idealistisch/unrealistisch/utopisch/nicht umsetzbar? Keine Ahnung, versucht hat sowas ja noch niemand. Statt den NPDlern und ähnlichen Konsorten das Feld einfach mehr oder weniger zu überlassen, warum nicht mal einen solchen Schritt wagen? Vielleicht wären ja viel mehr Einwohner in Deutschland dazu bereit, als wir denken?
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Heribert Prantl über den aktuellen Wahlkampf:
»Rossbreiten heißen die Gebiete, in denen fast immer Windstille herrscht. Der Name stammt aus der Zeit der Segelschifffahrt: Wenn die Schiffe in den Rossbreiten wochenlang festlagen, wurden die mitgeführten Pferde angeblich über Bord geworfen, um ihnen das Verdursten zu ersparen. … Tatsache ist, dass der Wahlkampf 2013 den Eindruck erweckt, als sei Deutschland in die Rossbreiten verlegt worden: Es ist politische Windstille, es herrscht die große Flaute. Der einzige Vorschlag, der für Furore sorgte, war derjenige der Grünen, in öffentlichen Kantinen einen »Veggie Day« einzurichten. Das sagt alles über diesen Wahlkampf.« [Link]
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Heute auf Twitter gelesen:
Als sie die Aktivist_innen holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein_e Aktivist_in
Als sie die Hacker_innen holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein_e Hacker_in.
Als sie die Journalist_innen holten, habe ich geschwiegen;
ich wa ja kein_e Journalist_in.
Als sie mich holten, gab es niemand mehr, der oder die protestieren konnte.
[von @annalist]
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Percanta hat eine neue Rubrik im Blog eröffnet und ich freue mich, denn darin teilt sie mit ihren Lesern die allererste Frage, die Ihr ihr kleiner Sohn Vielfrag morgens stellt. Ich hab ja eine große Schwäche für diesen kleinen Vielfrag, der sich natürlich mit dieser morgendlichen Frage nur warmläuft und im Laufe des Tages noch viele mehr stellt. Seine Fragen sind oft einfach nur großartig und deshalb, ja deshalb freu ich sehr über die neue Rubrik.
Man muss bei der Problematik „Asylbewerberheim“ noch nicht mal bis Berlin schauen, selbiges Thema beschäftigt ja auch bei euch „in der Nähe“…
Ich finde es immer relativ leicht sich eine Meinung anhand von Berichten zu bilden und so Standpunkt zu beziehen…aber wie würden wir reagieren wenn wir in der Situation stehen? Es ist eben nicht immer alles super leicht und einfach bei den nun mal bestehenden Kulturunterschieden… .
Versteh mich nicht falsch… ich hatte regelmäßig Kontakt zu Menschen aus dem Asylbewerberheim und kenne die Umstände dort … Ich bin nicht kontra Asylbewerberheim und will jetzt auch keine Diskussion vom Zaun brechen :) aber die Medaille hat eben immer zwei Seiten.
@ KaSi - danke Dir für Deine Gedanken und Einwände zum Thema. Ich verstehe, dass Du keine Diskussion vom Zaun brechen willst aber es ist natürlich ein Thema mit Diskussionspotential und -bedarf. :)
Tatsächlich finde ich es nicht leicht, sich eine Meinung anhand von Berichten zu bilden, denn auch solche Berichte sind immer in die eine oder andere Richtung gefärbt und nie in der Lage die Situation wirklich bis ins letzte Detail abzubilden und zu erklären. Aber man kann aus den vielen Berichten, die es gibt, eine Tendenz ablesen und man kann sich dann durchaus fragen, wie würde ich reagieren, wenn ich in der Situation stünde. Der Unterschied ist vielleicht, dass ich mich (auch) frage, wie würde ich reagieren, wenn ich in ihren Schuhen stecken würde und nicht (nur), wie würde ich reagieren, wenn ich in den Schuhen der Einheimischen stecke.
Im Übrigen, ist ja häufig bei den Einheimischen noch nicht einmal der Ansatz einer Bereitschaft zu entdecken, sich auf diese Menschen mal einzulassen, sie erstmal kennenzulernen, sich ihre Situation aus der sie gekommen sind und in der sie sich nun wiederfinden, erklären zu lassen und vielleicht Verständnis dafür zu entwickeln. Es wird sofort protestiert, abgelehnt und Front gemacht. Es wird nicht einmal versucht, ob ein Miteinander gefunden und gelebt werden kann.
Darüber hinaus habe ich nirgendwo behauptet, dass alles super leicht und einfach ist oder gar wäre, würde man versuchen andere Wege und Lösungen zu finden. Und natürlich ist mir klar, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt. Menschliches miteinander leben kann immer nur funktionieren, in dem man Kompromisse findet, in dem man aufeinander zugeht, etc.
Für mich sind Asylanten in erster Linie erstmal Menschen in Not, denen geholfen werden sollte und muss. Und wir hier sind immer von vornherein in der stärkeren Position. Es ist »unser« Land, wir können die Sprache, wir kennen die Kultur, wir wissen wo was ist und an wen wir uns im Zweifelsfall wenden können, wenn es ein Problem gibt, usw.. Die Asylanten sind Menschen, die oft aus einer lebensbedrohlichen Situation heraus hierher kommen, die nicht selten traumatisiert sind, die sich plötzlich in einer völlig fremden Kultur wiederfinden, die die Sprache nicht sprechen und quasi bei Null wieder anfangen müssen. Ich finde es schlicht nicht okay, wenn man sie behandelt wie Aussätzige, sie ausgrenzt, sie isoliert, sie beschimpft und bedroht und ihnen kaum die Luft zum Atmen gönnt (nur damit es kein Missverständnis gibt, ich beziehe das jetzt nicht auf Dich oder unterstelle Dir dass Du so etwas gutheißen würdest).
Was ich versucht habe auszudrücken war, dass wir uns längst mal hätten fragen sollen, was beim Thema Asyl und Asylanten in diesem Land unter Umständen falsch läuft (und das ist meiner Ansicht nach eine ganze Menge und nicht damit zu lösen, dass man mit den Fingern auf die Asylanten zeigt und sagt: »Ihr seid schuld! Was kommt Ihr auch hierher? Geht zurück, woher ihr gekommen seid«).
Wie man die Dinge besser regeln und handhaben könnte, neue Wege beschreiten, neue Ansätze ausprobieren, das vermisse ich. Es kann keine Lösung sein, diese Flüchtlinge einfach irgendwo in Sammelunterkünften für Jahre mehr oder weniger wegzusperren oder ihnen gar zu signalisieren: wagt Euch ja nicht raus aus Eurem Heim und in unsere Dörfer, Städte, was auch immer.
Ich wohne in einem ganz kleinen Dorf, in dem vor Jahren Asylbewerber untergebracht werden mussten. Da es natürlich keine Heime gab, hat die Gemeinde für sie eine Wohnung im Dorf angemietet, woraus dann eine richtig gute lebenslange Freundschaft resultierte (d.h. bis die Frau starb, in deren Haus die Wohnung des Asylbewerber war).
Die iranische Familie kam noch Jahre, nachdem sie längst anerkanntes Asyl bekommen hatte und weggezogen war, zu allen wichtigen Festen und Familienfeiern und hatte auch herzlichen Kontakt mit benachbarten Familien
Dieses Beispiel spricht in meinen Augen sehr für Deine Idee!!!!
Danke für den Link zu Percanta - das ist einfach herrlich zu lesen! Was für ein toll lebendiges Kind der kleine Vielfrag sein muss!!!
Danke!
@ percanta - aber gerne doch! :)
Liebe Lisa, wenn ich als eine Ausländerin solche Abneigung der Einheimischen gespürt und erlebt hätte, würde ich keinen Augenblick in diesem Lande bleiben wollen. Als ich nach Deutschland kam vor 30 Jahren, weil ich mit einem deutschen verheiratet war, war die Stimmung sehr gut und die Leute sehr freundlich. So, und jetzt ist es eben anders! Man sollte es respektieren, wenn die deutschen keine weitere einreisewilligen wünschen. Ich halte es für sehr undemokratisch, wenn die Bevölkerung übergangen wird und nicht entscheiden kann, wenn einreisen darf und wann. Mir gefällt es nicht mehr hier in Deutschland und ich wohne inzwischen in GB, wo ich keine Probleme habe und wo ich willkommen bin.
Liebe Gwen, ich würde, wenn ich solche Abneigung der Einheimischen erleben würde auch nicht in diesem Land bleiben wollen. Nur Flüchtlinge haben heutzutage ja keine eigene Wahl. Je nachdem, wo sie europäischen Boden betreten haben oder wie sie auf die Länder verteilt werden, müssen sie dorthin gehen, wohin sie geschickt werden. Diese Menschen in Hellersdorf können nichts dafür, dass sie nun ausgerechnet dort gelandet sind und sie haben einen solchen Empfang nicht verdient. Sie können auch nichts dafür, wie die deutsche Politik das ganze Thema handhabt, geschweige denn wie z.T. die Bevölkerung nicht wirklich mit einbezogen wird in diese Prozesse und Vorgänge. Der Protest müsste sich gegen die Politiker richten, nicht gegen die Flüchtlinge. Ich bestreite nicht, dass die Politik einen Teil der Schuld an der gegenwärtigen Problematik trägt aber wie gesagt, dann muss man sich mit dem Protest auch an sie wenden und nicht gegen die Flüchtlinge kehren.
Es tut mir leid, dass Du für Dich selbst auch keine andere Möglichkeit mehr gesehen hast, als Deutschland wieder zu verlassen und nach GB zu gehen. Du hattest das Glück, diese Entscheidung selbst treffen und verwirklichen zu können. Ich hoffe, Du wirst in GB glücklich werden und wenigstens dort einen Ort finden, an dem Du dauerhaft leben kannst und an dem Du willkommen bist und bleibst.
Da bin ich ganz deiner Meinung, dass die Politiker den ganzen Schlamassel zu verantworten haben und nicht die Bevölkerung, die es einfach nicht verstehen kann, wieso ausgerechnet in diesem kleinen Land wie Deutschland immer mehr Asylheime entstehen. Ich habe in GB schon seit 15 Jahren mein Zweitwohnsitz und ein zuhause und, glaube mir, »wir« bzw die briten haben bestimmt viel mehr »zugereisten«als Deutschland. klar, die briten sind nicht gerade sehr glücklich darüber, doch ich habe keine Feindselgkeiten oder Benachteiligung gegenüber Fremden live miterlebt habe. Nur gegenüber eine Gruppe der travelers, einer irischen Art Sintis gab es Gemecker zu hören weil dieser Gruppe keine Steuer zahlen will und nimmt sich das Recht sich niederzulassen, wo es ihnen gerade gefällt. Sonst haben z.B. die schwarzen genau soviel Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie die weissen. man braucht nur das Fernsehen anzuschauen und sehen wie die Journalisten und Nachrichten Sprecher aussehen.