Johannes ruft auf zur Mutmachparade und schreibt dazu u.a.: »In dieser Parade soll es um das Mutmachen gehen. Wie sprecht ihr euch selbst Mut zu, wie ermutigt ihr andere? Was sind Erlebnisse, in denen ihr euch ein Herz gefasst habt und eigene Grenzen überwunden oder anderen bei der Überwindung ihrer Grenzen geholfen habt? Wie weit seid ihr dabei gegangen und wie ist es euch damit ergangen?«
Das ist ein Thema, das sehr persönliche Bereiche berührt. Ich habe einige Tage mit mir gerungen, ob ich an der Parade teilnehme und offen schreiben soll, was mir dazu einfällt, bzw. was ich dazu zu sagen haben. Fast hätte mir der Mut gefehlt, aber letztlich, hab ich dann doch meinen Mut zusammengekratzt (-; und hier kommt nun mein Beitrag zur Mutmachparade, und ich hoffe, auch wenn es ein längerer Text wird, dass es dem ein oder anderen doch ein wenig hilft und vor allem Mut macht, mehr Mut zu entwickeln.
Grundsätzlich glaube ich, dass Mut keine Eigenschaft ist, mit der man quasi geboren wird und je nachdem, wie viel man davon »mitbekommen« hat, ist man eben mutiger oder weniger mutig. Sicher, man bekommt ein gewisse »Konstitution« mit ins Leben, vielleicht ein bestimmtes Quantum an Selbstvertrauen und Vertrauen ins Leben selbst. Aber der Großteil von Mut ist meiner Erfahrung und Beobachtung nach etwas, das man lernt und damit auch praktizieren und einüben muss. Da spielen dann auch Erziehung und Umfeld eine große Rolle.
Andere Teilnehmer der Mutmachparade haben zu Recht auch schon darauf hingewiesen, dass mutig sein, für jeden anders aussehen kann. Eine Handlung, ein Vorhaben, kann dem einen viel Mut abverlangen, während ein anderer überhaupt nicht auf die Idee käme, dass diese Handlung bzw. dieses Vorhaben überhaupt Mut verlangen könnte.
»Wie sprecht ihr euch selbst Mut zu?«, fragt Johannes und als ich darüber nachdenke, fällt mir zuerst einmal auf, dass ich das recht häufig tun muss. Leider, denn ich bin nicht zum Mut erzogen worden, eher zum Gegenteil. Beide Elternteile sind bzw. waren extrem vorsichtige Menschen. Sie sahen immer zuerst (und häufig genug auch nur), was Schlimmes passieren, welche Gefahren lauerten, welche negativen Konsequenzen irgendetwas haben könnte. Die Konsequenz für sie war nun nicht, mir beizubringen, wie man z.B. etwas tun und tatsächliche Gefahren hätte vermeiden bzw. ausräumen können. Ihre Konsequenzen waren: »Tue das bloß nicht, dabei brichst Du Dir am Ende den Hals!« »Lass das!« »Vorsicht! Das ist viel zu gefährlich!« »Pass auf! Pass auf! Pass auf!« Das ist und war eines ihrer Lebensmantras. (Das soll kein Eltern-Bashing sein, es ist einfach sachliche Feststellung. Sie haben es wohl selber nicht besser vermittelt bekommen und gelernt und selber in ihrem eigenen Leben auch sehr darunter gelitten und den Preis dafür durchaus gezahlt.)
Bekommt man so etwas von Kindesbeinen auf dauernd zu hören, hinterlässt das Spuren und hat Folgen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich selbst realisiert habe, dass manche Dinge gar nicht soooo gefährlich waren, wie behauptet worden war. Diese Dinge oder Handlungen lagen »nur« jenseits der Komfortzone meiner Eltern. Sie hatten sich entschieden und dort für sich ihre Grenzen gezogen. Später taten sie alles, ihre eigene Komfortzone auch zu meiner zu machen und lehrten mich ihre Grenzen auch als meine Grenzen anzusehen.
Ziemlich lange hat das - aus ihrer Sicht - auch wunderbar funktioniert. Nur für mich entwickelte sich das nach und nach zu einer Katastrophe, weil es mich schier erstickte und lähmte. Mein Gehirn wurde so geprägt, alles zunächst gründlichst zu analysieren und beim kleinsten Anzeichen von drohender Gefahr sofort gnadenlos zu eliminieren (sprich: die Finger davon zu lassen). Das können tatsächliche Gefahren sein (die man aber bei entsprechendem Wissen um sie, unter Umständen minimieren oder sogar ausschalten kann) oder nur »angenommene Gefahren« (das können z.B. Risiken sein, die so aufgebauscht werden, dass sie als »Gefahr« hingestellt werden oder auch wirklich komplett herbei phantasierte Gefahren). Solche Vorgänge können sich komplett automatisieren, also unterbewusst ablaufen. Man merkt gar nicht mehr, dass sie im Hintergrund die Strippen ziehen und tanzt im Grunde wie eine kleine Marionette an diesen Fäden (naja, die Marionette tanzt lieber nicht, man könnte sich dabei ja den Knöchel verknacksen! (-; ).
Mein erster Schritt hin zum Mut: Identifizieren und Widerstand leisten
Wie gesagt, mir selbst Mut zusprechen muss ich sehr sehr oft und das wiederum kostet eine Menge Energie, denn es funktioniert nicht mit einem einfachen »Nur Mut!«. Ich muss nämlich erstmal überhaupt realisieren, dass ich Dinge nicht tue, weil irgendwo in der Tiefe der Marionettenspieler an seinen Fäden zieht.
Oberflächlich betrachtet denke ich vielleicht, ich tue etwas nicht, weil … (hier bitte beliebige durchaus denkbare sachliche Gründe einfügen). In Wahrheit aber hat die Analyse ergeben, dass irgendetwas »gefährlich« sein könnte und hat sich ans Werk begeben, die drohende Gefahr zu eliminieren (sprich mich dazu zu bringen, die Finger davon zu lassen). Funktioniert das mal nicht auf die meist übliche langerprobte Weise (heimlich im Hintergrund ein paar Fäden ziehen), wird gerne auch zu massiveren Methoden gegriffen. Da kommt dann die Angst richtig ins Spiel und malt mir in schillerndsten Farben die (möglichen oder angeblichen) Gefahren bis ins letzte Detail vor Augen. »Wenn Du das machst und es geht schief, dann passieren die furchtbarsten Dinge, und am Ende wirst Du völlig verarmt als Obdachlose unter der Brücke enden / Dir das Genick brechen / alle Menschen, die Dir etwas bedeuten verlieren, etc. etc.! Jawoll! Im Grunde ist das schon totsicher!« Je nachdem, wie ich dann gerade draufbin, lass ich mich tatsächlich davon ins Boxhorn jagen und verkünde eingeschüchtert mir selbst, dem ominösen Strippenzieher und falls nötig auch anderen Menschen, dass ich lieber doch die Finger davon lasse bzw. dies oder jenes nicht tun werde.
Inzwischen habe ich mühsam gelernt, und bin noch dabei es zu lernen, solche Abläufe zu identifizieren (wenn auch manchmal mit etwas Verspätung) und dann zu versuchen gegenzusteuern und »Widerstand« zu leisten. Das ist mein erster Schritt, hin zu mehr Mut.
Mein zweiter Schritt hin zum Mut: Sich selbst kennen und Position beziehen
Der zweite Schritt hin zu mehr Mut ist für mich, herauszufinden wer ich bin, wofür ich stehe und was ich will. Klingt platt aber das ist alles wichtig, um sich an Dinge, die Mut erfordern heranzuwagen. Wenn ich nicht weiß, wer ich bin und was ich will, ist es schwierig Position zu beziehen und Position muss man beziehen. Position gegenüber dem heimlichen Strippenzieher, seinen eigenen Ängsten aber auch dem Umfeld. Wer in Deutschland aus dem Üblichen ausbricht, wer etwas wagen will, der wird schnell auch auf Miesmacher und Katastrophengläubige stoßen, die ihm das Vorhaben madig machen und ausreden wollen. Da muss man schon wissen, wer man ist, was man will oder wofür man einstehen bzw. sich engagieren möchte, um Kurs zu halten und sich nicht schon im Vorfeld abbringen zu lassen und den Mut zu verlieren.
Mein dritter Schritt hin zum Mut: Keine Angst vor Fehlern
Der dritte Schritt hin zu mehr Mut ist für mich, mir immer wieder klarzumachen, dass Fehler zum Leben dazugehören und nicht per se schlecht sind. Aus Fehlern kann ich lernen und es beim nächsten Versuch besser machen. Ohne Fehler und das Lernen aus ihnen gibt es keinen Fortschritt. Nur sehr weniges klappt auf Anhieb ohne Pannen oder Fehler, es sei denn man hat einfach unverschämt viel Glück. Aber das ist auch nicht weiter schlimm. Erst durch die dauernde Wiederholung derselben Fehler, werden sie bedenklich. Wenn ich mir dessen aber bewusst bin, dann können sie sogar zu meinen Freunden werden. Naja, ganz enge Freunde werden wir nicht werden, aber zumindest können sie zu Assistenten oder Helfern werden und nicht mehr angstmachende, lähmende Feinde sein.
Mein vierter Schritt hin zum Mut: Mut nicht sammeln, sondern nutzen und trainieren
Eine weitere Erkenntnis auf dem Weg hin zu mehr Mut ist, dass Mut nicht in einem Päckchen (in passender Größe für das jeweilige Vorhaben) aus einem Flugzeug auf mich abgeworfen wird. Ich muss nicht schon vorher den Mut für das Ganze haben. Ich brauche immer nur den Mut für einen Schritt vorwärts und dann den Mut für den nächsten Schritt und dann den Mut für den übernächsten Schritt. Wenn ich warte, bis ich soviel Mut beieinander habe, wie ich glaube für das ganze Vorhaben zu brauchen, dann verliere ich beim Warten darauf vorzeitig auch das bisschen Mut, dass ich vielleicht schon hatte. Anfangen und den ersten Schritt tun, die erste Aktion wagen und dann mit dem nächsten Schritt weitermachen. Mut ist nicht fertig. Mut wird und wächst mit jedem kleinen Schritt. Mut kann man regelrecht trainieren (auch noch als Erwachsener!). Mit kleinen »Mutproben« beginnen und Mut haben üben, üben, üben. Klingt auch wieder blöde aber es funktioniert. Ihr müsst Euch nicht gleich die größte Mutschwelle aussuchen, wenn Ihr Euren Mut erproben bzw. trainieren möchtet. Ein Läufer fängt ja auch nicht gleich untrainiert mit einem Marathonlauf an, sondern beginnt erstmal mit einer kleinen Laufrunde.
Mein fünfter Schritt hin zum Mut: Die Erkenntnis: Mut wird belohnt
Eine der tollsten und auch befreiendsten Erfahrungen: Mut wird zu 99% belohnt! Wer mit zu wenig Mut zu kämpfen hat, darf mir das jetzt einfach mal glauben und wer es nicht glauben kann, der darf es gerne selbst ausprobieren. Ich muss manchmal regelrecht über mich selbst lachen, wenn ich mich mal wieder bei meinem eigenen Erstaunen darüber erwische, dass mein Mut tatsächlich belohnt worden ist und sozusagen reichlich Früchte trägt (was natürlich nur beweist, dass ich noch eine Menge zu trainieren habe und Mutigsein für mich in den betreffenden Fällen längst noch keine Selbstverständlichkeit ist).
Andererseits, gerade diese kleinen (und manchmal auch größeren) Erfolge, wenn Mut belohnt worden ist, machen Mut zu mehr Mut. Das wird so eine Art Perpetuum mobile. Ich wage Mut, der belohnt wird und wiederum zu neuem Mut führt, der wiederum belohnt wird und zu neuem Mut führt, der … Ihr versteht was ich meine.
Mut ist manchmal auch einfach nur ein Muskel, der trainiert werden will. Durch das Training wird der Mut-Muskel gestärkt und wächst und was mir am Anfang vielleicht noch heftigen Muskelkater beschert hat, ist irgendwann kein Problem mehr und ich kann mich der nächsten Trainingseinheit auf dem Weg zu mehr Mut zuwenden.
Übrigens die Belohnung, die man für Mut erhält, kann anders aussehen, als ich es erwartet habe. Es kann sogar sein, dass ich mein ursprüngliches Ziel, das ich durch meine Handlung erreichen wollte, letztlich nicht erreiche. Und doch fühle ich mich belohnt und sei es durch die Erfahrung, das ich in der Lage war, eine bestimmte Angstschwelle zu überschreiten, oder bestimmte Teilziele auf dem Weg zu einem Ziel erreicht zu haben oder mich selbst wieder ein Stück besser kennengelernt zu haben.
»Wie versuche ich anderen Mut zu machen (und ich ergänze hier noch) bzw. ihren Mut nicht zu rauben?«
1. Indem ich versuche offen darüber zu sprechen, was Dinge oder Situationen sind, die mir persönlich Mut abverlangen. Ihr erinnert Euch, die Situationen, in denen wir unseren Mut-Muskel aktivieren müssen, sind nicht für jeden dieselben. Wenn wir wissen, wo der jeweils andere seinen Mut-Muskel in Aktion bringen muss, können wir helfen, indem wir ihn oder sie ermutigen, das dann auch zu tun. Oder ihn oder sie auch zu trösten und wieder aufzubauen, wenn der Muskel noch nicht genug trainiert ist und es mal nicht klappt mit dem Mut aufbringen. Jeder Sportler kennt auch die Phasen, wo man den Eindruck hat, man trainiert und trainiert aber die Resultate bleiben dieselben oder sind sogar enttäuschend. Wer am Ende siegen will, darf an dieser Stelle dann nicht resignieren und aufgeben. Da ist es gut, wenn man Mitstreiter hat, die einem in einer solchen Phase Mut machen und einen anfeuern.
Wenn wir offen über unsere Trainingssituation reden, machen wir auch anderen Mut, sich zu öffnen und zu erzählen, wo sie ihren Mut-Muskel trainieren müssen und wo sie nicht weiterkommen oder Durchhänger haben. Zusammen Mut einüben und Mut haben, motiviert und bringt weiter.
2. Indem ich meine eigene Komfortzone und meine eigenen Grenzen nicht verallgemeinere und automatisch zur Komfortzone und den Grenzen anderer erkläre bzw. mache. Nur, weil ich bestimmte Dinge nicht wage, weil mir der Mut dazu (noch?) fehlt, muss das bei anderen nicht genauso sein. Es ist unfair jemandem, der seinen Mut investiert quasi Knüppel zwischen die Beine zu werfen, indem ich ihm (ungebeten) meine eigenen Befürchtungen (bzgl. seines oder ihres Vorhabens) in aller Länge und Breite mitteile oder gar gleich versuche ihm oder ihr das Ganze auszureden. Stattdessen überlege ich mir, wie ich dem anderen helfen kann, sein Mutpotential zu nutzen und auszubauen.
3. Mich erschreckt es heute manchmal, wenn ich sehe, wie Eltern den Mut ihrer Kinder ersticken bzw. es ihnen gar nicht erst erlauben, ihren Mut-Muskel zu trainieren (vielleicht auch, weil sie - die Eltern! - dadurch aus ihrer eigenen Komfortzone herausgefordert würden). Wo irgendwie möglich und angebracht, versuche ich Kinder mit denen ich zu tun habe, zu ermutigen etwas auszuprobieren und zu wagen. Ein paar Schrammen die heilen, sind weniger schlimm als den Rest seines Lebens mit einem verkümmerten Mut leben zu müssen, bzw. erst später im Leben viel mühsamer zu lernen den Mut-Muskel zu reaktivieren und zu trainieren.
Genauso bemühe ich mich gerade im Umgang mit Kindern, dem Drang des »Vorsicht, das ist gefährlich!-Rufens« nicht jedesmal nachzugeben, wenn mir danach ist und meine eigenen Ängste und Befürchtungen so gut es geht zu unterdrücken. Meine Ängste vor bestimmten Dingen sollen nicht auch noch zu den Ängsten der Kinder werden und ihnen so einen Teil ihres eigenen Mutes rauben.
Im Grunde gilt das eigentlich alles auch für den Umgang mit Erwachsenen.
4. Indem ich nicht schadenfroh bin und mit Sprüchen wie »Das hab ich ja kommen sehen!« oder »Das musste ja schiefgehen!«, »Ich hatte Dich ja gewarnt, aber Du wolltest ja nicht hören …«, o.ä. hantiere, wenn die Mutprobe eines anderen mal missglückt ist, oder ein anderes als das erwartete Ergebnis hatte und nur mit blutigen Schrammen geendet hat. In dem Zusammenhang übrigens auch wichtig, sich nicht von anderen, zu solchen Sprüchen verleiten zu lassen. Denn unweigerlich findet sich mindestens immer einer, der in so einem Fall einer mißglückten Mutprobe, solche Sprüche macht und leider stimmen dann häufig andere gerne mit ein und bilden einen ganzen Chor. Ehe man es sich versieht, singt man das blöde Lied mit. Also versuche ich auch aufzupassen, mich nicht von anderen anstecken zu lassen, da mitzusingen.
5. Manchmal sind gar keine Worte die bessere Wahl, wenn man jemanden ermutigen möchte. Wenn ich offen darüber kommuniziert habe, dass und wozu ich Mut brauche, und andere können dann beobachten, wie ich konkret Mut aufbringe (für den ersten kleinen und vielleicht sogar noch etwas zaghaften Schritt) und meinen Mut trainiere und sie dann noch Zeuge werden, dass Mut meist tatsächlich belohnt wird, dann lässt sich der ein oder andere durchaus dadurch ermutigen, es selbst zu probieren und seinen eigenen Mut-Muskel zu reaktivieren und zu trainieren.
6. Indem ich anderen erzähle, wie viel Lebensqualität und -freude ich dadurch gewinne, dass ich diesen Muskel nicht weiter verkümmern lasse sondern ihn trainiere und ihnen versichere, dass es ihnen genauso gehen wird.
Übrigens: Es fällt mir viel viel leichter, für andere Mut zu haben, als für mich selbst, und ich vermute mal, da bin ich auch nicht die Einzige, der es so geht.
An dieser Stelle, Danke an Johannes für die Idee, die Mutmachparade zu starten! Dort findet Ihr übrigens auch die lesenswerten Beiträge der anderen Teilnehmer an der Mutmachparade!
Lebenshilfebücher - voll mit Mutsachen.
Finde bewundernswert, dass Du Dir so viele Gedanken dazu gemacht hast!
Bei der Beschreibung der übervorsichtigen Eltern fielen mir die von Josef Ortheil ein, bzw. die Mutter - nach dem Verlust von mehreren Söhnen war sie mit dem Jüngsten so vorsichtig, dass es kaum zu fassen ist- doch mit Hilfe seines Mutmachvaters hat er sich doch zu einem tollen Menschen gemausert….wie Du ja auch!
Hier noch eine gute Sendung, wo das alles erzählt wird:
http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/planet_wissen/videoplanetwissendasstummekindhannsjosefortheilswegindiesprache100.html
@ Sonja - ja, Josef Ortheils Kindheitsgeschichte ist mir bekannt. Wobei er ja schließlich den Grund für die Übervorsichtigkeit der Mutter herausfand und so wenigstens etwas einordnen konnte. Aber natürlich, er musste sich seinen Weg auch mühselig erkämpfen.
Oh und danke für Deine Annahme, ich hätte mich zu einem tollen Menschen gemausert. Ich selber kann das schlecht beurteilen, bin da eher sehr kritisch mit mir selbst. Aber ich arbeite daraufhin mit mir selbst versöhnter und zufriedener zu sein. :)
Ich stelle an mir fest, dass ich meinen Mut über die Jahre irgendwie verloren habe.
Ich bin auf dem Land aufgewachsen und war viel draußen. Meine Eltern habe mich an der langen Leine gelassen und nicht dauernd auf mich aufgepasst. Wir Kinder waren halt immer unterwegs und die Nachbarn haben aufgepasst.
Ich hatte eine tolle Kindheit und habe viel Mist gebaut, mich oft verletzt und dreckig gemacht, bin auf Dinge geklettert, bei denen ich heute erschrecke usw.
Ich hoffe, ich werde als Mutter den Mut haben, mein Kind an der langen Leine zu lassen und nicht gleich in Panik zu verfallen… Allerdings wohne ich nicht auf dem Dorf, mittlerweile hat nicht mehr jeder Nachbar ein Auge auf die Kinder und ich weiß nicht, wie das irgendwann funktionieren wird.
Ich bekomme jetzt schon teilweise die Pimpanellen, wenn mein Mann mal von einer Feier später nach Hause kommt, wie geschätzt. Und dann überlege ich eine Stunde lang, ob ich anrufen soll, oder nicht. Will ihn aber eigentlich nicht überwachen. Und male mir die schlimmsten Dinge aus. Und rufe dann letztendlich nach 1,5 Stunden doch an, um dann festzustellen, dass er schon längst auf dem Weg und in 5 Minuten da ist.
Und ich hätte öfter den »Mut« haben sollen, meiner Mutter zu sagen, wie sehr ich sie liebe. Auch wenn ich manchmal genervt und ruppig war. Jetzt ist es zu spät. Und ich muss den Mut haben, einfach weiter zu machen. Das ist meine momentane Mutprobe.
Vielen Dank für deine Gedanken. Sie haben mir einige Denkanstößte gegeben :)
@ Zitronenkojote - Vielleicht erscheint es Dir auch nur so, dass Du Deinen Mut über die Jahre verloren hast, weil Du vieles, wofür Du früher Mut gebraucht hast, heute selbstverständlich und ohne Aufbringen von Mut tun kannst? Dafür brauchst Du heute an anderen Stellen und in anderen Situationen Mut.
Natürlich durch die unterschiedlichsten Erfahrungen, die man im Leben sammelt, kann sich das, Maß an Mut, über das man verfügt, auch verändern. Mit mehr Wissen und Erfahrung, wird einem ja auch manche (mögliche) Gefahr erst bewusst. Oder man gerät plötzlich in Situationen, die eine andere Form von Mut erfordern, als bisher im Leben.
Der Verlust eines Elternteils ist natürlich etwas, das einen zutiefst (bis in die Fundamente) erschüttert. Da bricht ja ein wichtiger Teil des Lebens plötzlich komplett weg. Jemand, der vom ersten Tag unseres Lebens da war, ist unwiderbringlich fort. Das verunsichert, völlig unabhängig davon, ob das Verhältnis nun ein gutes oder belastetes war. Was für eine große Rolle unsere Eltern in unserem Leben tatsächlich gespielt haben (im Guten, wie im Schlechten), wird einem in vollem Umfang meist erst dann bewusst, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind. Das kann wirklich Angst machen - zu realisieren, wenn uns etwas zustösst oder unheimlich ist (Angst oder Sorge macht), können wir nicht mehr einfach zum Telefon greifen und uns sozusagen zurück in die Arme von Vater oder Mutter flüchten, ihren Rat einholen oder uns unser Päckchen Ermutigung und Zusicherung, das wir das (was auch immer) packen werden bei ihnen abholen. Da kann es einem durchaus auch so vorkommen, dass man plötzlich nicht mehr so mutig ist. Aber der Mut ist da! Wir müssen nur lernen, darauf zu vertrauen, das wir unser eigenes Reservoir an Mut haben und das wir einen eigenen Zugang zu diesem Reservoir haben. Wir müssen lernen, es selbst und nicht über den Umweg Eltern anzuzapfen.
Ich bin sicher, dass Du auch so ein Mut-Reservoir hast und aus dem kannst Du schöpfen.
Ich bin auch ziemlich sicher, dass Deine Mutter wusste, wie sehr Du sie liebst. Mütter spüren und wissen so etwas - egal, wie genervt und ruppig ihre Kinder sein mögen. Natürlich im Nachhinein haben wohl die meisten von uns das Gefühl, wir hätten es öfter und deutlicher sagen und zeigen sollen und das kann durchaus sein. Aber die Mütter, die haben es trotzdem gewusst oder zumindest geahnt. Sie haben nie die Blumen vergessen, die wir ihnen schon als kleine Kinder gebracht haben, die selbstgemalten Bilder, die ersten Basteleien, das Lächeln, das wir ihnen manchmal ganz unvermittelt gezeigt haben und das ohne Worte übermittelt hat, wie lieb wir sie hatten. Diese Erinnerungen waren ihre Schätze, und diese Erinnerungen waren immer stark genug, dass sie uns vergeben konnten, wenn wir genervt, ruppig oder sogar mal böse und lieblos waren. Ich wünsche Dir von Herzen Kraft, Deinen Weg weiterzugehen, zwar nun ohne Deine Mutter an Deiner Seite (oder in Deinem Rücken) aber aus dem Wissen heraus, dass sie Dich geliebt hat und Du sie und dass Ihr das im tiefsten Inneren auch voneinander gewusst habt.
Liebe Liisa,
ich bin sehr froh und glücklich über Deinen wichtigen Beitrag zu Mutparade, erinnert und mahnt er mich doch, auch in der Kindererziehung mehr Mut zu machen. Ich gehöre viel zu oft zu den Warnern und Bedenkenträgern, wenn unser Junior sich aufmacht, die Welt zu erorbern. Danke, dass Du so klar formuliert hast, wie wichtig diese »Alltagsermutigung« ist.
Glück auf, Hannes
♥ vielen Dank für deinen lieben Worte! Da hast du soo viel Recht. Zum Glück habe ich einen tollen Ehemann. Den tollsten auf Erden sage ich immer. Bei ihm habe ich weniger Schwierigkeiten, ihm so etwas zu sagen.. Wirklich seltsam…
Lieber Hannes,
danke Dir sehr für Dein persönliches Feedback zum Beitrag. Ich bin sehr froh, dass Du etwas daraus, als für Dich hilfreich, mitnehmen konntest!
Danke Dir auch für alle Deine Ermutigungen, sei es durch Dinge, die Du in Deinem Blog schreibst oder drüben bei Twitter!
@ Zitronenkojotin - wirklich von Herzen gern geschehen. Wie gut, dass uns im Leben Menschen an die Seite gestellt werden, denen wir unser Herz wirklich öffnen können und die uns so nehmen wie wir sind und die uns im rechten Moment, sagen, was wir hören müssen oder auch mit uns schweigen.