Name …
Claudia Pautz, also eigentlich Claudia Christel Pautz. Christel war der erste Vorname meiner Großmutter und ich bin sehr stolz, ihn tragen zu dürfen. Ist so eine besondere Oma-Enkelin-Liebe gewesen. Na, Ihr wisst schon.
Geboren in …
Ich bin ein echtes Usedomer Inselkind. Geboren wurde ich allerdings in Wolgast. Die kleine Stadt gilt als ein Tor zur Insel und liegt größtenteils auf dem Festland. Zu der Zeit als ich den hellblauen Ostseehimmel das erste Mal erblickte, kamen Kinder nämlich im Krankenhaus in genau diesem Städtchen zur Welt. Auf der Festlandseite. Ich gebe zu, dass mich das ein bisschen ärgert. Denn in den Ausweisen meiner lieben Verwandtschaft mittleren Alters steht an der Stelle Geburtsort: Heringsdorf. Die bereits vollständige ergraute Generation weist sogar mitunter Swinemünde als Geburtsort auf. Beide Orte liegen auf Usedom. Naja, nicht zu ändern.
Heute lebe ich …
immer noch oder wieder auf der Insel. Genauer gesagt in Bansin.
Ich habe in meinem Leben so eine Art Kaiserbäder-Hopping vollführt. Ahlbeck - Bansin - Ahlbeck - Heringsdorf - Bansin. Was nicht heißt, dass ich das Eiland nicht auch schon verlassen hätte, allerdings nie für lange und schon gar nicht mit dem ersten Wohnsitz.
Meinen Lebensunterhalt …
verdiene ich mit Online Marketing und als Autorin. Gerade arbeite ich gemeinsam mit einem liebenswerten, zugezogenen und mittlerweile selbst bekennenden Usedomer an einem besonderen Insel-Foto-Buch, das im Juni erscheint und die Insel ein ganzes Jahr lang in den großartigen Aufnahmen von einheimischen Fotografen zeigt. Begleitet werden die Fotos von fiktiven Tagebuchauszügen einer Frau, die nach und nach das Eiland und die Menschen kennenlernt. Ich konnte darin meiner Faszination für das Leben an der Küste freien Lauf lassen und so manchen selbst erlebten Augenblick in ihre Erinnerungen packen.
Jemals darüber nachgedacht, in eine größere Stadt zu ziehen oder etwa Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen?
Ja, es gab in der Tat schon diese Momente. Aber dabei blieb es auch. Ich habe es nie ernsthaft und über eine längere Zeit in Erwägung gezogen. Es waren wohl eher kleinere Unzufriedenheiten, ob der manchmal fehlenden kulturellen Möglichkeiten. Aber mal ehrlich: nur weil ich in einer Stadt lebe, vergrößert sich mein Konsum an Kultur nicht zwangsläufig. Ich habe nur mehr Auswahl. Dafür hätte ich aber das Meer nicht mehr vor der Tür. Und wenn ich ‘vor der Tür’ schreibe, meine ich es genau so. Ich gehe vor die Tür und 100m nach rechts und schon bin ich am Strand. Jeden Morgen, bevor ich ins Büro fahre, gehe ich eine Stunde walken, direkt am Ufer. Und jeden Morgen erlebe ich ein anderes Naturschauspiel. Wellen, Wind, Sturm, Nebel, Regen und die schönsten Sonnenaufgänge über dem Meer. Und wenn ich am Abend nach Hause komme und der Kopf Weite braucht, setze ich mich an den Strand. Das Meer zerbröselt dir die Sorgen, zumindest für eine kurze Zeit. Das ist Lebensart, die mir die Stadt so nicht bieten kann.
Aber mal abgesehen von all den klugen Gründen, diese Insel jeder Stadt vorzuziehen, spielt eigentlich etwas anderes die größte Rolle. Ich habe das Insel-Gen und noch keinen Ort gesehen, der mir besser gefallen hätte. Usedom ist einfach schön. Ich bin tief verwurzelt hier. Ich liebe die Bäderarchitektur, den Strand und das weite Achterland. Ich mag die Menschen. Ich bin eine von ihnen. Pommersch, unflexibel und manchmal ein bisschen weltfremd. Ich liebe das Leben in Saisonzeiten, die einsamen Winter und die lebendigen Sommer. Und vor allem liebe ich das Meer. Es heißt, wir Insulaner hätten Salzwasser im Blut. Ich ganz bestimmt.
An einem sonnigen Sommertag …
An einem sonnigen Sommertag zieht es mich an den Strand. Allerdings liegt mir das stundenlange Braten in der Sonne nicht sonderlich. Ich brauche Bewegung und die bekomme ich am Volleyballnetz. Da gibt es zwischen Ahlbeck und Heringsdorf einen Strandabschnitt, an dem ich wohl die Hälfte meiner Lebenszeit verbracht habe. Bei Heidis Strandoase unterhalb des Eichenwegs nutzen ‘die Ostseestrandlöwen’ jeden regen- und sturmfreien Tag, um ein paar Matches zu spielen. Gratis dazu gibt es die schönsten Geschichten der Gäste drumherum. Wir Inselkinder neigen ja zu Gruppenschmunzeln über die Strandrituale der Kurzzeitgäste, die mit dicker Cremeschicht auf verbrannter Haut am Ufer stehen und schon mal mit dem Finger gen Polen zeigend die Rügener Kreidefelsen entdecken.
An einem verschneiten Wintertag …
gibt es nichts Schöneres als einen Strandspaziergang. Dann nämlich ist es dort fast menschenleer und mit ein bisschen Glück ist das Meer zugefroren. Der Schnee fällt fast waagerecht und vor einem liegt nur weiße Unendlichkeit. Am liebsten gehe ich dann bis nach Ahlbeck. Und wenn ich richtig durchgefroren bin, mache ich es mir im Kaminzimmer des Hotels »Das Ahlbeck« bequem. Von dort aus habe ich einen schönen Blick auf die Promenade, auf der nur ab und an jemand seine Spuren in den frisch gefallenen Schnee tritt, die nach einer Weile auch schon wieder verschwunden sind.
Gut essen …
ist auf Usedom ein Leichtes. Wer wie ich Wert auf regionale Produkte und kulinarische Hochgenüsse legt, hat hier die Auswahl. Für unterwegs gibt es das Fischbrötchen von den Fischern direkt in den Dünen und für das lukullische Abendprogramm eines der Gourmetrestaurants in den Kaiserbäder. Und auch das Achterland bietet vorzügliche Restaurants mit besonderem Ambiente. Egal ob an Achterwasser oder Haff, in alten Gutshäusern oder im Schlössern.
Theater, Konzerte, Museen …
Es gibt auf Usedom schon das ein oder andere kulturelle Highlight. Meine persönlichen Highlights sind die Usedomer Literaturtage im Frühjahr und das Musikfestival im Herbst. Geistreiche Nahrung und feinste klassische Klänge bringen ein bisschen andere Welt auf das Eiland. So finden die Konzerte des Usedomer Musikfestivals überwiegend in Inselkirchen und im Kraftwerk der ehemaligen Heeresversuchsanstalt in Peenemünde statt. Wer einmal die atemberaubende Atmosphäre dieser belasteten Hallen während eines Sinfoniekonzertes erlebt hat, wird das so schnell nicht vergessen.
Wenn ich hier etwas ändern könnte …
würde ich dem einen oder anderen Entscheidungsträger gern mehr Weitsicht schenken und das Bewusstsein, dass all die menschlich erschaffene Schönheit Usedoms, von der wir noch heute leben, einst eine Vision in den Köpfen weniger war.
Die Einheimischen …
sind ein Völkchen für sich. Pommersch, ja. Und doch auf ihre ganz eigene Art Menschen vom Meer. Auf den ersten Blick erscheinen sie träge, unterkühlt und wortkarg, doch wehe sie geraten in einen Redeschwall. Dann blitzt plötzlich Leidenschaft durch ihre meerblauen Augen.
Zugezogene aus anderen Bundesländern …
bringen das gelassene Insulanerblut in Wallung. Und das meine ich ganz positiv. Ich glaube, sonst wären wir schon an unserer eigenen Langeweile gestorben. Ist doch alles schön hier. Was sollten wir denn ändern? Das Meer ist da und die Gäste kommen doch nur deswegen. Joahhh, das doch gut so. (-;
Wenn ich alt werde …
werden mir wahrscheinlich die Strandspaziergänge schwerer fallen. Und wenn schon, verzichten möchte ich darauf jedenfalls nicht.
Ein Tipp …
Wer zur Mittsommerzeit auf Usedom ist, sollte unbedingt mal des nachts an den Strand gehen. Dann nämlich färbt sich der nördliche Horizont über dem Meer bei klarer Sicht die ganz Nacht hindurch blutrot. Ein wunderschönes Naturschauspiel, das selbst die wenigsten Usedomer kennen.
Ein Wunsch
Ganz ehrlich? Gerade habe ich keinen. Draußen wird es langsam Sommer. Die Insel leuchtet im satten Grün der weiten Buchenwälder. Das Meer rauscht und schickt fröhliche, weiße Schaumkronen an den Strand. Von den Terrassen der Restaurants und Bars schallt Lachen die schönen Bädervillen entlang. Was kann man sich mehr wünschen?
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Okay, wer nach diesem Interview nicht spontan das Bedürfnis verspürt, mal nach Usedom zu fahren und dieses kleine landschaftliche Paradies mit eigenen Augen zu sehen, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen. Ganz lieben Dank, Claudia, für Deine Antworten und dass Du uns Deine Heimatinsel in Wort und Bild (ja, bis auf das erste, sind alle Fotos auch von Claudia!) nahegebracht hast! Wer mehr von Claudias Erlebnissen auf Usedom erfahren möchte, hier entlang bitte und auch da entlang!
Danke für die Beschreibung meiner Lieblingsinsel.
Ich habe vor 32 jahren ein Inselkind nach Thüringen verschleppt und bereue es bis heute,nicht oben geblieben zu sein.
Bin mir aber ziemlich sicher,daß ich eines tages mein Leben auf der Insel finishen werde,so Gott will.
Also nochmals danke gruß
Seufz. Usedom - wie weit war das nochmal vom Odenwald entfernt??? Danke für das Interview und für die Links!
All das Wunderbare, was Claudi da beschreibt, vermisse ich nun schon seit ein paar Jahren. Auch wenn ich ab und zu dort bin, hoffe ich doch sehr, irgendwann für immer auf »meine« Insel zurückzukehren. Usedom ist und bleibt einfach etwas ganz Besonderes! Vielen Dank für dieses tolle, anschauliche Interview :o)
wow, ein unheimliches tolles Interview mit einer unglaublich interessanten Frau
ich bin auch ganz verliebt in Usedom, allerdings ist mein letzter Besuch nun auch schon wieder über ein Jahr her … das sollte ich wohl mal ändern
die Bilder sind alle wunderschön und wecken Fernweh und Insellust =)
liebste Grüße
@ Wolfgang Wacha - Da muss die Liebe aber wirklich groß gewesen sein, dass das Inselkind sich hat »verschleppen« lassen! Viel Erfolg beim Fernziel: Wohnen auf der Insel!
@ Friederike - So um die 850 km! ;-)
Gerne doch, freut mich sehr!
@ Anke - Kann ich mir vorstellen, dass man das sehr sehr vermisst. Ich drücke die Daumen, dass Dein Weg mal wieder auf »Deine« Insel zurückführt. Herzlichen Dank für den Kommentar!
@ Bianka - Ja, beim mir wird’s eigentlich auch Zeit, mal wieder auf Usedom Station zu machen. Mal sehen, ob es im Sommer vor oder nach den Ferien klappt.
Ach, so schön! An Usedom habe ich schöne Urlaubserinnerungen,
Wie schön, liebe Frau Landgeflüster! Sicher liest man so ein Interview nochmal ganz anders, wenn man die Gegend und Menschen dort aus eigenem Erleben kennt.