Privates

Wie ich heute beinahe unverhofft auf den Hund gekommen bin

Findelhund - © Liisa

Findelhund - © Liisa

Findelhund - © Liisa

Es gibt so Tage, die verlaufen vollkommen anders, als gedacht. Heute war so ein Tag und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zur Zeit haben wir nämlich Besuch. Wenn man Besuch bekommt, dann will man dem Besuch natürlich auch etwas zeigen. Zum Zeigen gibt es hier in Mecklenburg-Vorpommern natürlich Unmengen. Also wurden große Pläne geschmiedet. Dumm nur, dass mich pünktlichst zu diesem Anlaß ein Infekt vollkommen lahmgelegt hat. Das heisst, die weltbeste WG-Genossin ist nun mit dem lieben Besuch auf Tour durch Mecklenburg, steuert die schönsten Ziele an und ich »hüte das Haus« bzw. »Ich hüte teilweise auch noch das Bett«. Na super. Frust galore!

Am Vormittag dann steht auf einmal eine andere Mitbewohnerin unserer WG vor mir und erzählt mir, da läuft ein fremder Hund ohne Halsband bei uns durch die Gegend. Sie hatte im Garten die ersten Himbeeren gepflückt, als der fremde Hund plötzlich neben ihr stand. Er sei aber gleich wieder weggelaufen. Aha … hmm hmm … na gut, kann man nix machen.

Wieder eine Zeit später ruft mich die Mitbewohnerin und sagt, der Hund läuft wieder hier herum. Komm mal schnell runter und guck. Ich also vor die Tür gegangen. Tatsächlich, da lief der kleine Kerl in der Gegend rum. Und tatsächlich kein Halsband an, nix. Seltsam. Offenbar ein noch recht junger Hund. Ein bisschen neugierig aber auch etwas scheu und schreckhaft (wer weiß, was er in den vergangenen Stunden/Tagen schon alles erlebt hatte). Im Fell jede Menge Kletten. Da war er wohl auch auf den Feldern unterwegs gewesen.

Ich versuchte ihn anzulocken aber er blieb auf Sicherheitsabstand. Nun gelte ich ja unter Freunden etwas als »Hundeflüsterin«. Keine Ahnung, ob da wirklich was dran ist, aber ich dachte mir, ich sollte versuchen meinem Ruf gerecht zu werden und nicht gleich aufgeben. Also weiter den Hund gelockt. Und tatsächlich, nach einer Weile kam er dann langsam immer etwas näher. Irgendwann war er dann in Reichweite und ließ sich tatsächlich von mir anfassen.

Was nun? Konnte ich es riskieren einen offenbar etwas verschreckten, nervösen und mir ansonsten völlig fremden Hund einfach auf den Arm zu nehmen? Oder würde er dann richtig Panik bekommen und vielleicht vor Schreck beißen? Andererseits, wenn ich nichts tat, würde er jeden Moment wieder weglaufen und unter Umständen entweder vor ein Auto oder Traktor laufen oder vielleicht nicht weniger schlimm, verdursten und verhungern.

Also, etwas Wagemut bitte! Ich hob den Hund vom Boden auf und hielt die Luft an. Der Hund guckte kurz etwas verdutzt aber verhielt sich erstaunlich ruhig. Ich hatte sogar etwas den Eindruck, als ob er erleichtert gewesen wäre, nun nicht mehr so allein zu sein. Ich trug ihn auf unsere Terrasse und gab ihm erstmal etwas Wasser zu trinken. Er stürzte sich begeistert darauf. Ein bisschen später etwas Futter, dass wir von der Nachbarin organisiert hatten. Wieder große Begeisterung beim Hund. Ich bremste ihn ein bisschen, weil ich fürchtete, so wie er schlang, wäre das vielleicht etwas viel für seinen Magen. Wir hatten ja keine Ahnung, seit wann er schon kein Futter mehr gehabt hatte. Als nächstes holte ich eine kleine Leine, die ich ihm umband, damit er nicht wieder weglaufen konnte.
Ich setzte mich zu ihm und er drängte sich kräftig gegen mein Bein und wich mir nicht von der Seite. Also begann ich ihm die Kletten aus dem Fell zu sammeln, was ihm gefiel.

Aber wie nun weiter? Klar war, der Hund war keiner der im Dorf gut bekannten Hunde. War er vielleicht Gästen aus dem Landhotel oder dem Seeschloßhotel weggelaufen? Wir fragten in beiden Hotels nach aber dort war nichts von verschwundenen Gästehunden bekannt. Wir fragten weiter nach bei einigen Leuten im Dorf, die meist gut informiert sind über besondere Vorkommnisse im Dorf. Die wussten nur, dass der Hund schon gestern zwischen unserem und dem Nachbardorf gesehen worden war. Aber keiner hatte eine Idee, wo er wohl hingehören könnte.

Wir beschlossen erstmal unser schon deutlich verspätetes Mittagessen zu uns zu nehmen. Der Hund blieb brav auf der Terrasse, hielt aber immer ein Auge auf mich (und ich natürlich auf ihn). Er war ein wirklich süßes Kerlchen, sehr lieb und brav. Kein Gekläffe, kein Gewinsel, sehr aufmerksam und zunehmend anhänglicher. Ich hatte den Eindruck, er war wirklich sehr froh, nicht mehr mutterseelenallein zu sein.

Nach dem Essen beschlossen wir, mit ihm ins Nachbardorf zu fahren und dort nachzufragen, ob irgendjemand seinen Hund vermisst oder den Hund kennt und weiß, wo er hingehört. Auch Autofahren war kein Problem. Nachdem er begriffen hatte, dass er ins Auto springen sollte, tat er das und nach dem dritten Mal ein und aussteigen, hatte er auch begriffen, dass er im Fußraum bleiben und nicht auf den Autositz springen sollte. Ein lernbegieriger, aufmerksamer und intelligenter Hund also. Leider kannte ihn auch im Nachbardorf niemand. Der dort wohnende pensionierte Tierarzt, kannte den Hund ebenfalls nicht.

Es blieb nichts anderes übrig, als dem Ordnungsamt zu melden, dass uns ein unbekannter Hund zugelaufen war. Die zuständige Sachbearbeiterin war gerade nicht da, hieß es. Man würde es weiterleiten und sie sich bei uns melden. Inzwischen war dem Hund anzumerken, dass er stehend k.o. war. War ja alles auch etwas viel Aufregung für so einen jungen Hund. Auf der Terrasse wollte er auch nicht unbedingt alleine bleiben. Ich beschloß es zu risikieren und ihn mit in unsere Wohnung im Haus zu nehmen.

Da guckten die drei Kater aber reichlich überrascht aus der Wäsche, als da plötzlich ein neues Tier in ihrem Revier auftauchte, das ganz offensichtlich kein Kater war. Filippo, verschwand sofort in Deckung unterm Bett (hatte ich so erwartet). Jaromir war schon deutlich neugieriger und schlich sich sehr vorsichtig wenigstens etwas näher heran. Der Hund guckte nervös, schüttelte einmal mit dem Kopf und Jaromirs Mut war hinüber. Er ging wieder auf Sicherheitsabstand. Aljoscha guckte, schlich näher und näher und näher und der Hund bekam es mit der Angst und ließ ein leises Knurren hören. Auf Zuspruch von mir hin beruhigte er sich aber gleich wieder. Ich beschloß kein weiteres Risiko einzugehen und die Tiere lieber getrennt von einander zu lassen. Der arme Hund war schon genug gestresst und die Jungs, hatten ihre Aufregung gehabt. Also Hund raus auf den Balkon, Fliegengittertür zu und gut ist. Jaromir und Filippo gingen ihrer Wege. Aljoscha baute sich auf der Innenseite der Fliegengittertür auf und beäugte den Neuzugang sehr aufmerksam.

Das Telefon klingelte, die Dame vom Ordnungsamt! Nein, wir hatten nicht herausgefunden, wem der Hund gehört. Offenbar kennt ihn niemand im Dorf. Dann teilte uns die Dame mit, sie würde veranlassen, dass zwei Mitarbeiter des nächstgelegenen Tierheims kämen, um den Hund abzuholen. BAM! Da saß ich nun mit dem nichtsahnenden Hund, der sich vertrauensvoll an mein Bein schmiegte und mir nicht von der Seite wich und kam mir vor, wie eine Verräterin.

Am liebsten hätte ich ihn hier behalten. Eigentlich wäre er der perfekte Hund für uns. Die richtige Größe, farblich sogar zu den Katern passend, mit seinen großen schönen Augen und dem lustigen Schlappohr. Offensichtlich mit tollem Charakter und sehr friedlich. Ich war sicher, er und die Kater würden nach einer Eingewöhnungsphase gut miteinander auskommen. Tja, aber wir sind eben zu mehreren hier. Wir leben in einer WG und das heißt u.a. alle müssen mit so etwas einverstanden sein. Wir konnten keine Einigkeit erzielen. Also blieb nichts anderes übrig, als den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Also wartete ich mit meinem kleinen neuen Freund und fühlte mich schrecklich, weil ich ja wusste, gleich würden die Tierheim-Mitarbeiter kommen und ihn mitnehmen. Wieder neuer Stress für ihn und wer weiß, was aus ihm wird? Einerseits hat er sicher gute Chancen was eine Vermittlung angeht, weil er wirklich ein hübscher und toller Hund ist. Andererseits … man hat ja schon manche Horrorgeschichten gehört.

Schließlich klingelte es an der Tür und die beiden Tierheimmitarbeiter waren da. Ein Mann und eine Frau, beide auf den ersten Blick recht nett. Ich erkundigte mich erstmal, wie es denn nun für den Hund weitergehen würde. Sie sagten, sie würden ihn als erstes als Fundhund in der Zeitung ausschreiben und auch auf der Webseite des Tierheims. Wenn sich nach zwei, drei Wochen keine Besitzer gemeldet hätten, käme er in die Vermittlung. Ich fragte, was passiert, wenn sie einen Hund nicht vermitteln können? Im Hinterkopf solche Horrormeldungen, dass Tiere dann einfach eingeschläfert werden. Nein, das gäbe es bei ihnen nicht. Sie hätten Hunde, die schon seit 2 oder 3 Jahren bei ihnen wären. Einschläfern würden sie nicht. Ich ließ mir die Nummer des Tierheims geben und sagte, ich würde in ein paar Tagen nachfragen, was aus dem Hund geworden ist. Als die beiden wieder im Auto saßen und ich dem Mann den Hund auf den Schoß setzte, sagte die Frau: »Manchmal kommen die Finder später und holen die Hunde doch noch zu sich.«

Tja, irgend jemandem muss der Hund ja gehören. Wenn das gute Menschen sind, würde ich ihnen und dem Hund natürlich wünschen, dass sie sich wiederfinden. Wenn es schlechte Menschen sind, die ihn vielleicht sogar bewusst ausgesetzt haben (was für mich komplett unverständlich wäre, weil es ein wirklich wirklich toller Hund ist), dann ist es vielleicht gut, dass er von ihnen weg ist, und vielleicht hat er ja Glück und bekommt wirklich liebevolle neue Besitzer.

Ich sah dem Auto nach, wie es vom Grundstück rollte und der Hund drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster nach mir und sein Blick war einerseits vertrauensvoll und andererseits irritiert. Mehr habe ich nicht gesehen, weil meine Augen plötzlich feucht wurden. Viel Glück und alles Gute, kleiner Hund!

11 Gedanken zu „Wie ich heute beinahe unverhofft auf den Hund gekommen bin

  1. Wirklich ein süßer Hund! Nachdem er ja so lieb und brav war, ist wohl zu vermuten, dass er bisher ganz ein gutes Zuhause hatte…? Wer weiß, vielleicht finden sich ja Hund und Besitzer wieder… Auf jeden Fall eine tolle Aktion von Dir! Vielen wäre es schlichtweg egal, ob da ein Hund verloren durch die Gegend läuft.

  2. Ist. Der. Süß!
    Mein erster Impuls gerade war: Wenn er nicht abgeholt wird und Du ihn nicht nehmen kannst, dann kommt er halt zu uns.
    Mit kleineren und jüngeren Hunden kann unser Frollein meist recht gut - zumindest draußen.
    Hm. Muss ich mal drüber nachdenken. Laut nachdenken. ;)

  3. Oh,nee, oder??!! Was für eine Geschichte! Atemlos gelesen, bis zu den feuchten Augen… Und es gibt wirklich keine Chance auf Einigkeit in der WG? hundehaltung ist gesundheitsfördernd, blutdrucksenkend undsoweiter.

  4. @ Holunder - Also so wie er aussah (mal abgesehen davon, dass er sich wohl ein oder zwei Tage hier durch Wald und Felder geschlagen hat),und wie er verhaltensmäßig drauf war, würde ich auch vermuten, dass er ein gutes Zuhause gehabt haben muss. Und ja, vielleicht gibt es eine Wiedervereinigung mit dem eigentlichen Besitzer.

  5. @pepa - Ja, er war bzw. ist obersüß. Mit der Vorstellung, dass er zu Euch käme, könnte ich gut leben, weil ich da sicher wüsste, dass er an einen ganz tollen Platz kommt und ihm kein weiteres Ungemach droht. Ich glaube von seiner Art her, könnte er gut zu Nami und Euch passen. Dann denkt mal gut nach. Mich würde es megamässig freuen, wenn die Geschichte so einen Ausgang nähme (und sich die Erstbesitzer tatsächlich nicht mehr finden lassen).

  6. @ Friederike - Tja, wie das Leben manchmal so spielt, der kleine Kerl hält uns hier ganz schön in Atem. Ist für mich ja nicht damit erledigt, dass er jetzt im Tierheim ist. So nach dem Motto »Aus den Augen, aus dem Sinn«. Ich will schon wissen, wie es für ihn weitergeht und hoffe sehr, dass er entweder mit seinen eigentlichen Besitzern wiedervereinigt werden kann oder dann doch schnell einen guten neuen Platz bei liebevollen Menschen bekommt. Mal sehen, vielleicht landet er am Ende tatsächlich bei pepa! :)

    Was die Einigkeit in der WG angeht, ist die grundsätzlich gut und wir haben ja auch schon Vierbeiner hier. Jetzt noch einen Vierbeiner dazu und dann einen von einer anderen Art, das war mehr das »Problem« denke ich.

  7. Was für ein Schnuffel! Den vermisst doch sicherlich jemand, er sieht ja auch recht gepflegt aus. Habt Ihr vielleicht einen Campingplatz in der Nähe, wo er Gästen abgehauen sein kann?

  8. @ Kiki - In direkter Nähe gibt es keinen Campingplatz und an allen anderen Stellen, wo es Touristen gibt, haben wir nachgefragt. Bisher hat sich niemand gemeldet. Heute war er dann samt Foto und kleinem Artikel in der Zeitung unter der Ãœberschrift »Kleiner Ausreißer möchte nach Hause!« Wir harren der Dinge, die da kommen …

  9. Du hattest gestern vollkommen recht - was für ein süßer Hund! Das eine Kippohr ist der Hammer! Großes Lob, dass Du Dich so gekümmert hast - das macht nicht jeder… Bissi wundern tut mich nur, dass er nicht gechipt war (insbes. weil er doch gut beieinander, gepflegt und offenbar auch gut sozialisiert ist), hier bei uns in Österreich ist das inzwischen Gesetz. In Dt. nicht? Bin gespannt auf den Rest der Story!

  10. @ Woodstock - Nein, ich glaube in Deutschland ist das noch nicht vorgeschrieben, auch wenn es sehr empfohlen wird, gerade auch von Tierärzten.

    Bin auch sehr gespannt, wie es mit dem Hund weitergeht. Habe heute wieder mit dem Tierheim telefoniert. Auf den Artikel in der Zeitung hin gestern hat sich bisher noch niemand gemeldet. Wirklich seltsam. Aber gut, warten wir es ab …

  11. Neueste und abschließende Nachrichten zum Hund: Er ist wieder bei seiner Besitzerin. Er stammt aus einem Dorf aus der Gegend jedoch deutlich weiter weg als gedacht. D.h. er hatte schon eine ganz schöne Strecke bis zu uns zurückgelegt. Nachdem er ja in der Zeitung war als Fundhund, hat sie ihn dort gesehen und sich beim Tierheim gemeldet und ihn wieder mit nach Hause genommen. Ende gut alles gut.

Kommentare sind geschlossen.