Ihr kennt das? Ihr lest einen Roman, der Euch packt, also so richtig packt. Plötzlich seid Ihr auf der letzten Seite angelangt und könnt es kaum glauben, dass die Geschichte zuende ist. Ihr schlagt den hinteren Buchdeckel zu, und dann ist sie da, diese Gefühlsmischung aus Dankbarkeit, Freude und Traurigkeit und Bedauern. Es ist ein bittersüßes Gefühl und wenn es sich einstellt, dann weiß man, man hat etwas Besonderes gelesen, etwas das das eigene Leben bereichert hat und einen nie wieder so ganz verlassen wird. Man weiß, das Figuren aus diesem Buch einen von nun an begleiten werden, dass man ihre Namen nicht wieder vergessen wird und auch nicht ihre Geschichte oder wenigstens Teile davon. Das kommt nicht oft vor aber manchmal. Mit Pia Ziefles neuem Roman »Länger als sonst ist nicht für immer« ist es mir gerade so ergangen. Aber fangen wir von vorne an!
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das erste Mal auf Pia Ziefle aufmerksam wurde. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich einen Artikel über sie oder ein Interview mit ihr gelesen habe. Ich wurde in dem Moment richtig hellhörig, als ich den Namen ihres Wohnortes las. Das war nämlich mein damaliger Nachbarort. Schade, dass wir uns in all den Jahren nie persönlich über den Weg gelaufen sind! Jedenfalls meine Aufmerksamkeit war geweckt, und je mehr ich in diesem Artikel/Interview las, desto interessierter wurde ich. Sie hatte damals gerade ihren Debüt-Roman »Suna« veröffentlicht.
Ich las in eine Leseprobe von »Suna« hinein und beschloß mehr davon lesen zu wollen. Das Hauptthema, die Geschichte, es gab biographische Parallelitäten. Kleine zwar nur, aber doch genug, dass ich mehr wissen wollte. Es dauerte noch eine Weile aber schließlich hielt ich Pias Debüt-Roman in Händen und fing an zu lesen über »Suna« und die mit ihr verbundene Geschichte. Je weiter die Geschichte voranschritt, desto gepackter las ich. Als ich schließlich die letzte Seite umblätterte, war mein Leben um eine tolle berührende Geschichte reicher. Gedanklich hat mich »Suna« seither weiter beschäftigt. Immer mal wieder kommen mir Sätze, Absätze und Fragestellungen aus dem Roman in den Sinn. Offenbar ging es nicht nur mir so mit ihrem Debüt. Der Roman wurde sehr erfolgreich und hielt sich lange an der Spitze von Bestsellerlisten. Ich selbst habe »Suna« mehrfach weitergereicht und verschenkt, und damit bin ich für gewöhnlich eher zurückhaltend.
Bald nach dieser Lektüre folgte ich Pia bei Twitter, und so bekam ich recht frühzeitig mit, dass Sie angefangen hatte, einen zweiten Roman zu schreiben. Spannend fand ich das. Es ist ja immer spannend, was nach einem Debüt folgt, erst recht nach einem erfolgreich verlaufenen Debüt.
Irgendwann erfuhren wir, dass der Titel des neuen Romans »Länger als sonst ist nicht für immer« sein würde. Wenig später dann, wie das Cover des Romans aussehen würde. Dann wurden auf diversen Plattformen Exemplare des neuen Romans verlost. Das Losglück ist mir in meinem Leben noch nie treu gewesen. Ich versuchte es erst gar nicht, auf diesem Wege an den Roman zu kommen. Ich war fest entschlossen, mir den Roman zu kaufen, sobald er im Handel sein würde. Der Veröffentlichungstermin rückte immer näher.
Dann vor drei Wochen traf hier ein Päckchen ein. Absender: Pia Ziefle! Pia hatte mir ihren neuen Roman als Geschenk zugeschickt, liebevoll mit einem Stückchen selbstgebackenen Kuchens und einigen persönlichen Worten ergänzt. Ich freute mich sehr über diese großzügige Gabe und darauf zu lesen, woran sie so viele Monate hart gearbeitet hatte, wie ich als Leserin ihres Twitter-Accounts bezeugen konnte. Ein bisschen Angst rührte sich allerdings auch in mir. Was, wenn mich ihr zweiter Roman nicht so überzeugen konnte wie »Suna«? Was, wenn der neue Roman deutlich hinter dem Debüt zurückblieb oder mir aus welchen Gründen auch immer gar nicht so gefallen würde? Ich schob die Befürchtungen beiseite und begann zu lesen.
Schon nach wenigen Seiten war ich gefesselt von dem, was ich da las. Pia Ziefle hat die Gabe mit wenigen Worten ein ganzes kleines Universum zu eröffnen. Mit ihrer genauen Beobachtungsgabe, mit der Schilderung kleiner aber entscheidender Details webt sie Lebensgeschichten, greift existentielle Fragen auf, rührt wunde Lebenspunkte an und verbindet verletzte Seelen ohne dabei jemals in Kitsch oder gar schwülstige Romantik abzugleiten.
Es sind nur wenige Menschen, um die sich der Roman dreht. Die Hauptfiguren sind Fido, Ira und Lew, dazu kommen noch einige weitere wichtige Figuren Tadija, Fidos Großvater, Evi, in deren kleinen Bäckerei sich die Hauptfiguren alle irgendwann einfinden, die einen früher, die anderen später, Hanno, der sich Lews annimmt, John, Iras kleiner Sohn, Cornelius, Iras Vater.
Sie alle sind entwurzelte und suchende Menschen, Menschen die sich ihrer Identität oder Geschichte nicht sicher sind, Menschen, die Schuld auf sich geladen haben und auf Verständnis und/oder Vergebung hoffen, Menschen, die Geheimnisse mit sich tragen, die auf ihnen und ihren Kindern lasten.
Es ist ein Roman, in dem man versinkt. Man möchte Teil dieser kleinen verschworenen und auf seltsamen Pfaden verbundenen Gemeinschaft werden. Es rührt an, zu sehen wie sie in all ihrer Verletztheit und Unsicherheit versuchen einander zu stützen, zu helfen und zu einem erträglichen Leben und Sterben zu verhelfen. Sie haben den Drang festzuhalten, wen sie lieben und wessen sie sich gewiss sind und müssen doch lernen loszulassen. Sie haben gemeinsame und einsame Träume, die sie teilen oder in sich verschließen, und von denen sie lernen müssen, dass das Leben meist nicht viel Rücksicht nimmt auf menschliche Träume.
Das Leben führt sie auf unterschiedliche Pfade und kreuzt und trennt ihre Wege. Sie müssen lernen das Leben zu akzeptieren wie es ist und sich dabei nicht verbittert zurückzuziehen, sondern sich darauf einzulassen und dann das Beste daraus zu machen. Was zählt ist ihre Zuneigung und Liebe zueinander, die stärker sind als Träume, stärker als ihr Bedürfnis festzuhalten, stärker als Schuld, die sie mit sich tragen oder die andere tragen, stärker als Geheimnisse und das Bedürfnis, diese bis ins Letzte aufzudecken oder für immer mit sich zu tragen. Das klingt jetzt vielleicht doch nach Kitsch oder Romantik aber tatsächlich ist es weit davon entfernt.
Ira, Fido und Lew lernen und erkennen, dass das Leben ihnen Fragen stellt, denen sie nicht ausweichen können oder dürfen, wenn sie aufrecht und selbstbestimmt leben wollen. Sie müssen sich schmerzhaften Erlebnissen und Vorkommnissen stellen, müssen kaum sichtbaren Spuren folgen, sich ihrer Herkunft und Familiengeschichte stellen, um frei zu werden wirklich zu lieben, zu leben und ihren Träumen folgen zu können.
Mir sind Ira, Fido, Lew, Evi, Tadija und all die anderen Figuren aus dem Roman sehr ans Herz gewachsen. Pia Ziefle schildert sie alle so liebevoll und freundlich, nicht beschönigend sondern voller Menschlichkeit, Verständnis und Mitgefühl. Sie werden mir in Erinnerung bleiben, und die Fragen, die der Roman für mich bereithielt, werden mich wohl auch noch lange beschäftigen.
»Länger als sonst ist nicht für immer« ist ein wunderbarer, tiefgründiger, berührender Roman, der mir persönlich sogar noch etwas besser gefallen hat als »Suna«. Pia Ziefle hat sich für mich mit ihrem zweiten Roman erneut als eine kluge Beobachterin und großartige Erzählerin mit einem eigenen wiedererkennbaren Stil und Ton erwiesen. Ihr zweites Roman ist nicht einfach nur noch ein Buch mehr in der Flut von Büchern, die heute in den Buchhandlungen anbranden, die gelesen und ebenso schnell vergessen werden.
Freut Euch auf den Herbst, besorgt Euch den Roman und lest ihn selbst. Ihr werdet es nicht bereuen Ira, Fido, Lew und all die anderen kennenzulernen! Eine Empfehlung gebe ich für den Roman auch als Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk für liebe Menschen in Eurem Umfeld!
Und Dir, liebe Pia, so Du das hier lesen solltest: Dankeschön für das Geschenk dieses Romans, für die Stunden, Tage, Wochen und Monate die Du mit der Idee, der Geschichte und den Figuren gerungen hast, um sie uns nahezubringen.
Danke auch Deinen Lieben, Freunden und Helfern, die Dir den Raum, die Zeit und nötige Unterstützung gegeben haben, damit Du Deinen zweiten Roman schreiben und veröffentlichen konntest. Ich wünsche Dir, dass Du in jeder Hinsicht erleben darfst, dass sich die Mühe wirklich gelohnt hat!
Danke.
Und dein Gruß an diejenigen, die da immer hinter mir stehen, der ist ausgerichtet und angekommen.
Liebe Liisa, dieses Gefühl kenne ich so gut und Bücher die es wecken
lese ich oft mehrere Male. Die Bilder die beim lesen entstehen sind dann so echt das es mir vorkommt als sehe ich einen Film.
Deine Buchbeschreibung hat mich neugierig gemacht, werde gleich
einmal nach Sune Ausschau halten.
Hab ein schönes Wochenende, Patricia
Das ist ja eine wunderbare, sehr liebe- und gehaltvolle Rezension. Sie klingt so gut, dass ich mir Pia Ziefles Buch vormerken werde, zumal ich auch ‘Suna’ gelesen habe.
@frauziefle - wirklich gerne! :)
@Patricia - Das freut mich! Ich kann Dir wirklich beide Romane ans Herz legen! Der Herbst/Winter ist/sind ja lang. :)
@Franka Fein! Wenn es soweit ist, wünsche ich Dir eine gute Lesezeit!
Es gefällt mir richtig gut, dass es wieder kleine Berichte von Deinem Lesestoff gibt!
Gruß aus dem Zwiebelkuchenweinländchen
@ Sonja … naja … ob es Berichte (also plural) geben wird, weiß ich nicht. Dazu müsste ich erstmal zum Lesen kommen und dann müsste es was sein, worüber es was zu schreiben gibt und so. Aber vielleicht mogelt sich ja zukünftig doch der ein oder andere Lesestoff hier herein. :)