Nachdenkliches

Von Liebe und Lebendigkeit und der Frage nach dem Konkreten

Fast als allererstes heute morgen las ich den Blogbeitrag »Von Liebe und Lebendigkeit« von (Jo)Hannes Korten. Darin plädiert er angesichts all der Gewalt und des Terrors, den wir dieser Tage in aller Welt erleben, für mehr Liebe! Klingt naiv, banal, gefühlsduselig oder gar »gutmenschelnd«? Ich persönlich denke eher, nein. Ich drückte es kürzlich in einem Tweet so aus »In einer grausamen Welt ein weiches Herz zu haben, ist Mut nicht Schwäche«. Sich ein weiches (mitfühlendes, liebendes) Herz zu bewahren ist manchmal ein großes Ringen und harte Arbeit. Allerdings ist es das Ringen und die harte Arbeit durchaus wert.

Gegen Ende seines Beitrags ruft Johannes dazu auf sich seinem Motto für dieses Jahr anzuschließen. Es lautet: »Lasst uns einander lebendig machen«. Das gefällt mir gut, da bin ich gern dabei. Wobei sich mir die Frage stellt, wie das ganz konkret aussehen könnte? In den Familien, unter den Freunden, am Arbeitsplatz?

Oder auch in den sozialen Netzwerken, auf Twitter, Facebook & Co.? Wie drückt sich Liebe in dem Sinne, wie Johannes sie definiert, dort aus? Massenhaftes Liken und Faven ist damit wohl nicht gemeint. Jemand ist mir (zumindest digital) sympathisch, also wird gefavt und geherzt, was das Zeug hält. Aber Liebe ist das noch lange nicht.

Anderen, mit Verständnis und Toleranz zu begegnen, auch wenn ich ihre Meinung, ihren Lebensstil nicht teile, schon eher. Aber eigentlich ist Liebe ja mehr als »nur« Toleranz. Jedesmal, wenn wir Position beziehen, eine Haltung einnehmen, eine Meinung verteidigen, stellen wir uns damit zugleich gegen andere, die eine andere Position haben, eine andere Haltung einnehmen, ihre Meinung verteidigen. Das ist im Prinzip okay.

Die Frage ist, glaube ich, in welcher Art und Weise tun wir das? Rechthaberisch? Arrogant? Besserwisserisch? Belächeln wir andere, wegen ihrer Ansichten, Meinungen und Haltungen? Schließen wir sie aus unserem Leben aus? Das ist ja gerade in den sozialen Netzwerken einfach zu bewerkstelligen: blocken, muten, entfolgen. Ein Klick und gut ist’s. In meiner Filterbubble hab ich dann nur noch Menschen, die meine Meinungen, Haltungen, etc. weitestgehend teilen. Da ist gut »lieben und »lebendig machen«.

Aber es ist höchstwahrscheinlich kein realistisches Abbild der Welt mehr. Es ist auch dort dann eher ein Rückzug ins Geschützte. Niemand mehr, der mich wirklich herausfordert, der mich bzw. meine Ansichten hinterfragt. Ich kann mir im Internet eine Kuschelecke bauen, in die ich jederzeit flüchten kann. Mit jeder Menge Gleichgesinnter als Follower ist es natürlich einfacher Position zu beziehen, Meinungen zu vertreten. Und wehe, einer stellt sich gegen mich. Dann kann ich in nullkommanix meine Follower mobilisieren (wenn sie mir nicht ganz von allein beispringen) und wenn ich »Glück« habe, geht über meinen Gegner ein shitstorm nieder, der sich gewaschen hat. Wer die meisten Follower hat, setzt sich durch. So ähnlich geht das Spiel häufig. Mit Liebe oder »Lebendig machen« hat das nicht mehr viel zu tun. Auch wenn es sich manchmal den Anschein gibt, als wäre viel (Follower)Liebe im Spiel.

Wie gesagt, das Motto »Laßt uns einander lebendig machen« finde ich gut. Der erste Schritt zur Umsetzung ist sicher zu überlegen, wie das konkret aussehen kann. Vorschläge, Ideen, Anregungen, irgendjemand?

Ein Gedanke zu „Von Liebe und Lebendigkeit und der Frage nach dem Konkreten

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