Als ich am Morgen das erste Mal vor die Tür trete, liegt eine eigentümliche Stille über dem Dorf und der Landschaft. Kein Lüftchen weht. Der Himmel ist von einem hellen pudrigen Grau. Auch die Zeit scheint erstarrt. Die Bäume stehen unbewegt und weiß bestäubt vom Schnee. Langsam sickern doch einige Geräusche in mein Ohr. Ein Hahn, der fortwährend kräht. Ein Specht, der an einen Baumstamm hämmert. Das heisere Krächzen von drei oder vier Nebelkrähen. Und aus der Ferne die Rufe eines einsamen Kranichs, der dem Hahn zu antworten scheint. Das ist alles, was zu hören ist. Erst viel später ertönt das übliche Gezwitscher der Spatzen, Meisen, Finken und das Gezeter der Elstern, das Gequake der Wildenten, die wieder über das Haus hinweg ziehen.
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Dazu passte dann das Gedicht »Jänner«, das ich zufällig heute morgen las:
»Kristallner Tag im Eiseshauch:
den Horizont färbt goldner Rauch.
Ein Baum steht schwarz im Land und sinnt.
Ob irgendwo ein Quell noch rinnt?
Ob unter graugefrornem Lid
das Aug des Sees von Träumen blüht?
Es schweigt die Welt. Nur Krähenschrei
fliegt über Dorf und Wald. Vorbei
gehn Wandrer in der Abendstund
wie Heilige auf goldnem Grund.«
- Christine Busta
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Der sehr geschätzte Herr Buddenbohm hat mal wieder einen kleinen Schatz für uns gehoben. Dieses kurze Video über das älteste Familienunternehmen der Welt, das seit rund 1300 Jahren besteht. Mal abgesehen davon, dass die Geschichte an sich schon der Wahnsinn ist, finde ich es vor allem sehr beeindruckend, dass Fotograf Fritz Schumann es geschafft hat, das Vertrauen der Familie zu gewinnen, so dass sie ihm - für Japaner höchst ungewöhnlich! - auch sehr intime Dinge anvertraut haben.
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Ich hörte einen längeren sehr interessanten Beitrag über den brasilianischen Schriftsteller Joaquim Maria Machado de Assis (1839-1908). Hier kennt kaum ein Leser seinen Namen oder eines seiner Werke. In Brasilien aber gilt er als einer der bedeutendesten - manche behaupten, DER bedeutendste - Schriftsteller den das Land je hervorgebracht hat. Susan Sontag ging sogar so weit, ihn den größten Schriftsteller, den ganz Lateinamerika (!) jemals hervorgebracht hat, zu nennen. Nun, um diesen »Titel« muss er sich vermutlich inzwischen mit Mario Vargas Llosa und Gabriel García Márquez streiten, oder genauer, die Jünger und Fans dieser drei großen Schriftsteller können sich darüber die Köpfe erhitzen.
Tatsächlich ist sein Name im englischsprachigen Raum inzwischen bekannter als in Lateinamerika selbst. Einige lateinamerikanische Kenner der lateinamerikanischen Literatur beklagen sogar die Vereinnahmung von Joaquim Maria Machado de Assis durch britische und US-amerikanische Enthusiasten, und die damit einhergehende Verwandlung des Schriftstellers in einen anderen Machado, der nicht mehr viel mit dem tatsächlichen Machado zu tun hat.
Ich habe nicht wenig Lust, Machados Roman »Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas« bald einmal zu lesen. Es scheint mir eine gute Ablenkung vom Irrsinn des gegenwärtigen Weltgeschehens.
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Schließlich fand ich endlich die Zeit eine kurze Dokumentation über Wulfstan, Bischof von Worcester (ca. 1008?1095) und Heiliger der katholischen Kirche, zu sehen. Abgesehen von den interessanten Informationen über Wulfstan und sein Leben, war ich besonders entzückt über die herrlichen Aufnahmen aus dem Inneren der Worcester Cathedral, die ich bei meiner letzten Reise durch Großbritannien leider nicht selber besuchen konnte.