Ich liebe Wasser. Am allerliebsten natürlich, wenn es als Meer oder »die See« daherkommt. Ich liebe große Flüsse, und ich liebe Seen. Seit ich in Mecklenburg-Vorpommern lebe, habe ich viel Wasser um mich, in allen Formen.
Ich behaupte, das macht etwas mit einem Menschen, oder besser mit der Seele der Menschen. So viele Seen, wie ich in den vergangenen Jahren gesehen und besucht habe, habe ich in meinem ganzen bisherigen Leben zusammen nicht gesehen und besucht. Seen gibt es hier und in erreichbarem Umfeld so viele, dass ich wahrscheinlich noch auf Jahre damit beschäftigt wäre, wollte ich alle wenigstens einmal besuchen. Manche Seen sind eher klein, andere riesig. Manche sind touristisch voll erschlossen, andere verborgene Kleinode, die man nur findet, wenn man weiß wo sie sind und gezielt hinfährt.
Gestern habe ich mir einen langgehegten Wunsch erfüllt und endlich endlich einen See besucht, der schon lange auf meiner Wunschliste stand.
Ich fuhr mit der weltbesten WG-Genossin schon früh am Morgen los, durchquerte den Süden Mecklenburgs, fuhr über die Grenze hinüber nach Brandenburg und noch ein kleines Stückchen.
Das erste, das uns auffiel war, dass offenbar in Brandenburg viel mehr Wildtiere überfahren werden als in Mecklenburg und man die getöteten Tiere auch nicht so konsequent einsammelt, wie in Mecklenburg-Vorpommern. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass Sonntag war und sich die Menschen, die für den Tierkadaver-Räumdienst zuständig sind, einfach nochmal umgedreht und ein bisschen weitergeschlafen haben. Jedenfalls blutete mir erstmal ordentlich das Herz beim Anblick all der überfahrenen Füchse, Hasen, Igel und was weiß ich noch.
Schließlich ereichten wir das Dorf Neuglobsow (250+ Einwohner), das aber trotzdem über ein Parkleitsystem und drei große Parkplätze verfügt. Auf einem der Parkplätze fanden wir locker einen Parkplatz. Der große (Sonntags-/Sommertags-)Run hatte noch nicht eingesetzt. Nur einige wenige Autos parkten dort schon und ein Camper, dessen Insassen sich gerade ihr Frühstück schmecken ließen.
Der Himmel war noch etwas zugezogen, von Sonne noch nicht viel zu sehen, aber das sollte sich laut Wetter-App bald ändern. Wir liefen durch das noch stille Dörfchen und bewunderten die lebensgroßen und lebensechten Figuren die überall herumstanden und saßen und witzelten herum, dass man so die Einwohnerschaft eines Dorfes auch erhöhen könne.
Und dann endlich standen wir am Ufer des Stechlin, oder wie er offiziell heißt, des Großen Stechlinsees.
Fontanekenner wissen natürlich ob des gleichnamigen Romans »Der Stechlin« gleich Bescheid.
Ein paar (noch leere) Strandkörbe standen am Sand-und Wiesenstrand, links dümpelten die Boote des örtlichen Bootsverleihs und vielleicht auch einige Privatboote.
Nun hätten wir es uns natürlich gemütlich machen und einen der Strandkörbe anmieten, oder eben ein Boot oder Kajak/Kanu ausleihen können und damit den See ein wenige erkunden können. Aber ich hatte von Anbeginn meines Wunsches, wenigstens einmal im Leben den Stechlin zu sehen, zugleich gedacht: Ich will einmal ganz um diesen See herumwandern.
Damals wusste ich noch gar nicht, ob das überhaupt möglich ist. Viele Seen in Brandenburg und Mecklenburg können nicht umwandert werden, weil entweder Privatgrundstücke an sie grenzen oder es wegen des Naturschutzes nicht erlaubt ist. Ich weiß nicht mal, warum ich diesen dringenden Wunsch ausgerechnet bei diesem See hatte. Ich wandere nämlich nicht grundsätzlich jeden schönen See komplett ab, selbst wenn das möglich ist.
Als ich irgendwann dann Recherchen anstellte, war ich sehr beglückt, dass der Stechlin nicht zu diesen Seen zählt. Ihn kann man tatsächlich komplett zu Fuß umrunden. Dabei ist der Weg gänzlich naturbelassen und führt direkt am Ufersaum des Sees entlang, nur an wenigen Stellen führt der Weg ein klein wenig weg vom See.
Der Stechlin ist ringsum von Wald umgeben und so wanderten wir frohgemut unter den belaubten Ästen der Bäume über den Weg und versuchten vor lauter schönen Ausblicken auf den See, nicht über die (hinterlistigen) Baumwurzeln zu stolpern, die natürlich über den ganzen Weg verteilt sind. Gar nicht so einfach!
Zunächst waren wir mutterseelenallein unterwegs. Erst nach und nach überholten uns vereinzelte Wanderer oder auch mal ein paar Fahrradfahrer. Ja, man kann/darf den See auch mit dem Fahrrad umfahren. Allerdings, Stichwort: »Baumwurzeln« (und Steine die aus dem Sand ragen), muss man entweder ein entsprechend geländetaugliches Fahrrad haben, oder ein/e lebenslang geübte/r quer-Feld-ein-Radfahrer/in, oder eben jung und draufgängerisch sein.
Erst gegen Mittag bzw. am frühen Nachmittag, auf dem letzten Drittel des Weges tauchten immer mehr Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer auf. So genossen wir unsere Wanderung und das Gefühl, den See fast »ganz für uns allein zu haben«. Die Ausblicke waren einfach bezaubernd schön. Besonders nachdem dann kurz nachdem wir losgewandert waren, tatsächlich der Himmel blau zum Vorschein kam und die Sonne mit ihrem Strahlen die Farben des Sees wachküsste.
Der Stechlin ist ja berühmt für seine Klarheit, auch wenn es kritische Stimmen gibt, die behaupten sooo klar sei der See gar nicht mehr. Wir fanden ihn sehr klar und das Farbenspiel auf ihm einfach nur prächtig! Rund um den See gibt es Sitzmöglichkeiten, so dass man immer mal wieder eine mehr oder weniger lange Pause einlegen kann, um den Blick auf und über den See genießen kann.
Wir wunderten uns allerdings doch etwas über den Zustand dieser Sitzgelegenheiten. Die Sitzbänke waren zum Teil sehr kurz, wirkten eher schnell zusammengezimmert oder gleich ziemlich marode und windschief, bei den meisten konnte man sich nicht mal mit dem Rücken anlehnen. Nur an ganz wenigen Stellen gab es, was wir als vernünftige Sitzbänke bezeichnen würden. Und nur an einer Stelle, schon fast wieder in Neuglobsow, gab es zur Bank sogar einen Tisch.
Egal, wir nutzten trotzdem die ein und andere Bank für kurze Pausen. Im Übrigen, kann man sich natürlich an vielen Stellen einfach am Ufer direkt am Boden niederlassen. Für die älteren Spaziergänger und Wanderer wäre es trotzdem schön, wenn die Sitzgelegenheiten die da sind etwas stabiler, größer und zahlreicher wären.
Unsere Mittagspause mit mitgebrachtem Proviant nahmen wir jedenfalls an einer schönen Uferstelle direkt am Boden ein. Danach warf ich zumindest Schuhe und Socken von mir und wanderte ein bisschen im glasklaren Wasser herum. Hätte ich noch Schwimmzeug dabei gehabt, wäre ich sehr verlockt gewesen, ein bisschen herumzuschwimmen. Andere taten das an verschiedenen Stellen im See.
Bei einer späteren auch etwas längeren Pause auf einer windschiefen Bank, ließ ich den Blick versonnen über den See schweifen, als plötzlich etwas weiter von uns entfernt im See … ich stieß sogleich die weltbeste WG-Genossin an und sagte »Schau, da! Ein Haubentaucher!«, um im nächsten Augenblick sehr überrascht festzustellen, dass das was da auftauchte beileibe kein Haubentaucher war, sondern das obere Ende eines herkömmlichen Schnorchels. Kurz zeigte sich der Kopf des Tauchers, dann war er wieder weg. Wir mussten doch ziemlich lachen über diesen »Haubentaucher«.
Glücklich und müde gewandert erreichten wir schließlich wieder Neuglobsow, das sich uns nun ganz anders als am Morgen präsentierte. Das Dörfchen war überflutet mit Touristen und Tagesgästen, Reisegruppen und Sonntagsspaziergängern. Die wenigen Restaurants waren gut gefüllt, ebenso die geöffneten Läden und sonstige touristische Anlaufstellen. Nur das Stechlinsee-Center war geschlossen.
An verschiedenen Stellen im Dorf sind Hinweistafeln aufgestellt, die historisch bedeutsame Orte oder Ereignisse erzählen oder eben Fontane-Roman-Bezüge herstellen oder verneinen. Ich habe nicht alle diese Tafeln gelesen, aber immerhin erfahren, dass auch Hans Fallada schon als Kind in Neuglobsow gewesen ist, was bisher wundersamer Weise völlig an mir vorbeigegangen ist.
Sogar ein leibhaftiger schwedischer Prinz hat zeitweise in Neuglobsow gewohnt. Seine Frau hatte von ihrem Vater eine herrschaftliche Villa in Neuglobsow als Hochzeitsgeschenk bekommen.
Ich würde gerne nochmal wiederkommen nach Neuglobsow und an den Stechlin, und dann Neuglobsow selbst etwas genauer erkunden und ganz gemütlich ein bisschen am Ufer des Stechlin spazieren gehen, oder darin schwimmen oder mit dem Kajak darauf herumpaddeln. Das mache ich dann aber, wenn die Saison vorüber und nicht ganz so viele Menschen da sind.
Nachtrag: Die lebensgroßen und lebensechten Holzfiguren sind gar keine, sie sind aus Beton, wie ich gerade herausgefunden habe!
Jung und draufgängerisch sollte man sein um über Baumwurzeln zu hupfen, ganz ohne dramatische Stürze…wohl wahr! Dieser Stechlin ist ein so ganz anderer wie der Tiefe See am Kloster Maulbronn, der einstens auch Herman Hesse erfreute. Wasser im Hochsommer, immer etwas Wunderbares! Dein Wanderbericht gefällt mir sehr!
Gruß von Sonja