Am Beginn dieses Jahres fasste ich den Vorsatz, unbedingt wieder mehr zu lesen. Nun ist es nicht so, dass ich in den vorhergehenden Jahren nicht gelesen hätte. Ich las sogar recht viel, nur eben kaum noch analoge Bücher. Sehr untypisch für mich, und ich vermisste es schmerzlich.
Mir fehlte es, irgendwo gemütlich zu sitzen und für eine gewisse Zeit in einem Buch zu versinken. Ja, ich lese natürlich auch e-books, aber es fühlt sich für mich anders an, wenn ich tatsächlich das Gewicht eines Buches in der Hand spüre, die Beschaffenheit des Papiers, wenn ich über einen Buchdeckel streichen und Seiten selber umblättern kann.
Nun heisst es ja noch gar nichts, solch einen Vorsatz zu fassen. Ich hatte ihn im Jahr davor schon gefasst, musste aber Ende 2016 feststellen, dass ich gescheitert war.
Umso mehr freut mich, dass ich es dieses Jahr geschafft habe, meinen Vorsatz wahrzumachen. Ich habe mir nämlich in meinem Kalender richtig tägliche »Lesezeit« eingeplant. Das ist nicht immer aufgegangen, aber häufig genug und meist hab ich, wenn ich erstmal mit einem Buch in der Hand da saß, doch länger gelesen, als ich es ursprünglich eingeplant hatte. So habe ich dieses Jahr insgesamt 60 Bücher (Literatur und Sachbücher) gelesen. Eine schöne runde Zahl.
Dazu kommen noch Hörbücher. In diesem Jahr habe ich vor allem die Hörbücher aus Terry Pratchetts Scheibenwelt sehr genossen und freue mich schon im neuen Jahr noch mehr davon zu hören.
Außerdem habe ich natürlich noch diverse e-books (hauptsächlich Sachbücher) gelesen und massenweise Artikel, Aufsätze und Essays (online).
Also verbuche ich das als Erfolg und 2017 war endlich mal wieder ein richtiges Lesejahr für mich. Ich hoffe, das wird auch 2018 so werden.
Hier nun meine Lesehighlights aus dem Jahr 2017 in zufälliger Reihenfolge, wobei die letzten drei Bücher in die Kategorie Sachbücher bzw. Biographie gehören:
Ja, ich bin spät dran mit diesem Buch. Ich hatte bereits 2016 einen ersten Versuch gestartet, den Roman zu lesen, kam aber nicht sehr weit. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass durch das Lesen auf dem e-Reader bzw. iPad meine Handgelenke offenbar nicht mehr so trainiert sind, schwere Bücher über längere Zeit zu halten. Schlaffis!!! Zeitmangel kam noch hinzu, die Zeiträume zwischen der Lektüre, erschwerten es mir wieder in den Roman hineinzufinden. Dieses Jahr nun also der zweite Versuch und diesmal erfolgreich. Ich kann mich dem vielstimmigen Lob für den Roman nur anschließen. Was für ein Panorama, was für eine Familiengeschichte, was für eine Erzählerin! Großartig!
So schmerzhaft, fesselnd, berührend und tragisch ist wohl selten über Männerfreundschaften geschrieben worden! Einer der erfolgreichsten Romane in diesem Jahr und das völlig zu recht.
Mein erster Roman von der japanischen Schriftstellerin. Ich hatte ihn im Buchladen liegen sehen, kurz hineingelesen und war gleich von der Erzählstimme gefesselt. Ein kleiner aber sehr feiner Roman, der von den kleinen schlichten Momenten lebt.
Endlich: der neue Roman von Annie Proulx! Sie erzählt die Geschichte und der Aufstieg einer Holzfäller-Familie in Kanada und im Nordosten Amerikas. Klingt vielleicht erstmal nicht sehr aufregend, aber Annie Proulx ist eine großartige Erzählerin und vermittelt nebenbei nicht nur einen Teil der Geschichte dieser Länder und ihrer indigenen Einwohner, sondern auch die Auswirkungen des Raubbaus an der Natur auf die Menschen.
Die Andere Bibliothek hebt ja immer wieder vergessene und fast vergessene Schätze der Literatur erneut ans Tageslicht. So auch mit diesem Roman von Michail Ossorgin, in dem er von den Bewohnern einer kleinen Straße in Moskau erzählt und dabei seinen Fokus auf den Zeitraum des Frühjahrs 1914, also dem Vorabend des Ersten Weltkrieges, bis zum Winter des Jahres 1920 legt. Ein wenig fühlte ich mich an den Roman »Die Midaq-Gasse« (erschienen 1947) des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfuz (manchmal auch Machfus) erinnert, den ich vor Jahren las. Dass eine der Hauptfiguren in Ossorgins Roman ein Professor für Ornithologie ist, hat mein Lesevergnügen natürlich noch ein wenig gesteigert. ;-) Inzwischen hat die Andere Bibliothek übrigens mit »Zeugen der Zeit« einen weiteren Roman von Michail Ossorgin veröffentlicht.
Elliot Perlmans Roman »Tonspuren« fiel mir zufällig in die Hände und ich brauchte recht lange ihn zu lesen. Das lag vor allem an den Schilderungen des Holocaust-Überlebenden im Roman, die in ihrer Detailliertheit und Grausamkeit für mich kaum zu ertragen waren, so dass ich immer wieder Lesepausen einlegen musste. Dieser Roman wird mir noch lange nachgehen.
Habe ich früher Kriminalromane nur so verschlungen, so war Volker Kutschers neuester Roman in seiner Serie um den Ermittler Gereon Rath, dieses Jahr der einzige Krimi, den ich gelesen habe. Da konnte ich aber auch sicher sein, dass es ein guter sein würde, und so war es dann auch. Ich liebe diese Serie sehr und bin schon sehr gespannt auf den nächsten Band.
Auf dem Weihnachtstisch im letzten Jahr fand sich das wunderbare Buch »Wintervögel« von Lars Jonsson, das mir die Winterzeit verschönt hat. Jonsson erzählt sachkundig von der winterlichen Vogelwelt in Skandinavien (die teilweise mit unserer deckungsgleich ist, aber auch eine Menge Vogelarten umfasst, die wir hier nicht, oder nur sehr selten mal, zu Gesicht bekommen). Zu jeder Vogelart gehören die wunderbaren Zeichnungen von Jonsson, der dementsprechend viel über die kleinsten Details im Vogelkleid oder Verhalten der Vögel zu berichten weiß. Einfach nur wunderbar, wenn man sich für Vögel interessiert!
Mit Peter Frankopans »Licht aus dem Osten - Eine neue Geschichte der Welt« war ich wochenlang beschäftigt und habe sehr viel dabei gelernt. Er erzählt die Geschichte der Welt nämlich einmal nicht aus eurozentrischer, sondern vom Standpunkt des Nahen bzw. Mittleren Ostens her. Mit großer Akribie zeichnet er Geschichte und Weltpolitik nach, ebenso die Verheerungen, die die westliche Kolonialpolitik angerichtet hat und deren Auswirkungen wir bis heute spüren und erleben. Hier zeigt einer, dass Geschichte und Weltpolitik kein langweiliger Stoff sein muss, sondern lebendig und aktuell erzählt werden kann und uns dazu hilft auch das hier und heute zu verstehen und zumindest eine Ahnung zu bekommen, wie es weitergehen könnte. Eine solche Weise, die Geschichte der Welt zu erzählen, war dringend fällig und korrigiert so manches falsche Geschichtsbild, dass wir hier im Westen vermittelt bekommen haben.
Geert Maks Bücher lese ich immer sehr gerne, weil auch er sehr akribisch recherchiert, bevor er sich ans Schreiben macht. In diesem Buch erzählt er die Geschichte einer Amsterdamer Familiendynastie, in der der älteste Sohn seit Jahrhunderten immer den Namen Jan Six erhält. Anhand der langen Reihe von Menschen, die diesen Namen in der Familie trugen, erzählt er nicht nur die Familiengeschichte sondern auch Amsterdamer und Niederländische Geschichte und damit auch ein Stück Weltgeschichte. Sehr spannend, sehr lehrreich, großartig!
Danke für deine Leseempfehlungen, die mich ein wenig vor Neid erblassen lassen, weil mein Leseleben wegen belasteter Augen (erstmal?) vorbei ist. Seit Mai nichts, buchstäblich nichts mehr gelesen. Ossorgin und Proulx würde ich gerne auch lesen. Aber nachher spüre ich zunächst der Stille nach in dem Dokumentar=Kinofilm »Zeit für Stille«.
Tolle Bücher ! Was ist die Andere Bibliothek ?
Oh weh! Das tut mir sehr sehr leid für Dich. Allein die Vorstellung, nichts mehr lesen zu können, der blanke Horror! Womit hast Du Deine Augen denn so belastet? Gibt es Aussicht auf Erholung der Augen? Ich bin sicher, an Ossorgin hättest Du Deine helle Freude!!
Die Beschreibungen zum Dokumentarfilm klingen interessant. Toll, dass Du die Möglichkeit hast, ihn zu sehen! Viel Freude dabei!
Schau mal hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_andere_Bibliothek und https://www.die-andere-bibliothek.de/
Nachdem irgendein Defekt gelasert worden ist, zwickt und brennt ein Auge unentwegt. Lesen ist eine Qual, so daß ich es seitdem einfach gelassen habe. Nur eben, wie Freunde schreiben: ‘Ich kann mich dich ohne Buch nicht vorstellen’.
Online lese ich gerne Artikel aus Zeitungen, Zeitschriften, Blogs.
Bücher mag ich ich lieber aus Papier. Jedes riecht anders. Ich lese abends, so lange ich lesen kann, fast täglich im Bett und aus Papier.
Hörbücher? Nur wenn Autoren lesen und nach Papier, mitunter auch beim Bügeln. Hörbücher sind immer auch Interpretation, des lesenden Menschen, das kann auch spannend sein für mich, nach dem Papier.
Was habe ich gelesen in diesem Jahr? Wenig Neues, ab Mai manches wieder, so auch den ganzen Johnson. Da ahnte ich ich noch nicht, was bald geschehen wird, da ziehen seine Erstausgaben, gewidmet und signiert in meine Regale, die Taschenbücher ziehen aus zu einer Freundin und in einen Bücherschrank. Hölderlin, Beide Fäuste, Irmtraud Morgner, Kästner, Kafka, Emcke, Bachmann.
Für mich passt das zu diesem Jahr. in dem mir auch Rückschau wichtig.
Unangetastete liegt hier ein Stick.
Zum sein mit T gehörte auch einander Vorzulesen. Auf ihre Weise hat sie vorgesorgt, mit 365 Texten.
Noch mag ich ihre Stimme nicht hören aus dem Off.
Aha, das klingt ja total edel. Danke !
Das Winterbuch von Knausgard lohnt sich! Wintervögel und eine Straße in Moskau mochte ich auch, anders ging es mit mit »Ein wenig Leben«. Es ist immer spannend, zu lesen wie unterschiedlich Bücher wahrgenommen werden
Oh, da hast Du ja auch eine ganze Menge gelesen in diesem Jahr! Hörbücher laufen bei mir auch eher als »Begleitmusik«. Tatsächlich werde ich nur mit wenigen Hörbüchern wirklich warm. Hängt sehr vom Vorleser / der Vorleserin ab. Wenn es irgendwie geht, versuche ich nur Hörbücher zu hören, die auch wirklich den kompletten Text des jeweiligen Buches wiedergeben, also keine gekürzten Lesungen.
Bei den Pratchett-Hörbüchern, ist es manchmal komplett, manchmal gekürzt, aber das ist für mich in diesem Fall okay.
Bücher nochmals lesen, mach ich nur in höchst seltenen Ausnahmefällen. Ich hab ein recht gutes Lese-Gedächtnis und dann gibt es noch so viele Bücher, die ich nicht kenne, aber gerne lesen möchte und leider ist meine Lebenszeit ja begrenzt. Mir tut es jetzt schon leid um all die noch kommenden guten Bücher, die ich nicht mehr werde lesen können, weil ich leider schon tot bin. ;-))
Da haben wir ja einige Lektüre-Überschneidungen dieses Jahr. :-)
Knausgårds Winterbuch gefällt mir so mittelprächtig. Ich habe auch schon mal in verschiedene Bände seines autobiografischen Romanzyklus hineingelesen, aber mich hat das z.B. längst nicht so gepackt, wie viele andere. Er hat immer mal wieder sehr interessante Gedankengänge oder Sätze, Absätze, o.ä. aber dann auch wieder vieles, womit ich gar nichts anfangen kann. Und bei »Winter« ist es auch so. Einige tolle Kapitel und dann andere, da sprechen mich nur wenige Sätze an und wieder andere, mit denen ich so gar nichts anfangen kann. Ein Knausgård Fangirl werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr. Aber das ist ja auch okay, dass sich Lesegeschmäcker unterscheiden. Vielleicht stimmt(e) auch einfach der Zeitpunkt der Lektüre bei mir nicht.
»Guapa« von Saleem Haddad könnte dir gefallen. Ich hab es jedenfalls sehr gerne gelesen: http://www.albino-verlag.de/produkt/guapa
Danke für den Tipp. War mir bisher völlig unbekannt!
Toll, dein Lesejahr! Ich komme fast gar nicht mehr zum Lesen von Gedrucktem und möchte das schön länger gerne ändern. Dafür hab’ ich mir jetzt endlich eine bessere Lampe bestellt, denn ich hab’ gemerkt, dass ich den Vorsatz gar nicht so umsetzen kann bei der Funzel, die neben meinem Bett steht! Früher ging das, da waren auch die Augen noch besser…
(Deiner Rede fürs Kommentieren auf e13 kann ich mich übrigens nur anschließen!!!)