Da staunt der gemeine Blogger …
Seit zwei Tagen geistern 17 Thesen durch das deutschsprachige Internet, die großspurig mit »Internet-Manifest« überschrieben worden sind und von 15 sog. A-Bloggern unterzeichnet wurden. Damit wurde mal wieder eine dieser Diskussionen losgetreten, die langjährige Internetnutzer so oder ähnlich schon häufig miterlebt haben. Man könnte auch sagen, da wird mal wieder eine alte Sau durch’s Dorf getrieben. Die Schwachpunkte der Thesen sind und werden ja schon an vielen anderen Stellen im Internet diskutiert worden, so dass ich die hier nicht nochmal extra aufführe. Wer mehr darüber wissen möchte, braucht nur mal im Internet nach Internet-Manifest suchen und dann die Kommentare zu lesen.
Um so größer war dann vorhin meine Verwunderung, als sich doch tatsächlich die 3sat-Sendung »Kulturzeit« (die ich eigentlich sehr schätze) dieses Themas annahm und daraus einen längeren Beitrag inklusive zugeschaltetem Gesprächsgast Stephan Weichert machte. Was da allerdings abgeliefert wurde, das schlägt dem Fass schon ein bisschen den Boden aus (Leider ist nur das Gespräch mit Stephan Weichert in der Mediathek bei 3sat abrufbar, nicht der vorgeschaltete Beitrag über die Thesen und die dahinterstehenden Blogger selber).
Übrigens meinte Stephan Weichert in dem Gespräch, er hätte mit Marius Sixtus gesprochen und der hätte gemeint, das Manifest sei weniger für Leute geschrieben, die sich im Internet bewegen und auskennen als vielmehr für die Elterngeneration, die mit Internet und Bloggen nicht viel am Hut hätten. Stellt sich mir dann allerdings schon die Frage, wie die überhaupt von den Thesen Kenntnis erhalten sollen, wenn sie gar nicht ins Internet gehen. Sollen die Kinder die Thesen etwa ausdrucken und den Eltern neben den Frühstücksteller legen? Wäre ich Teil dieser Elterngeneration würden mich die Thesen übrigens auch nicht davon überzeugen, dass das, was die lieben Kindelein da in diesem großen Internet treiben besonders bedeutend oder sinnvoll sein könnte.
Befremdlich finde ich persönlich erstens, dass es offenbar ausreicht irgendwo »Manifest« drüberzuschreiben und schon muss es sich um etwas ganz Bedeutendes handeln. Zweitens stört mich und zwar erheblich, dass sich da ein paar Blogger ungefragt zu Sprechern der vielen Blogger machen und so tun als ob die Blogger sich einig wären, was beileibe nicht der Fall ist, wenn man sich mal die Kommentare zu den Thesen an verschiedenen Stellen im Internet anschaut.
Die Thesen selber sind arg banal und ziemlich lächerlich zumindest, wenn man »Manifest« darüber pappt und das ganze dann zu einem riesigen Luftballon aufbläst. Die Thesen haben meiner Ansicht nach auch nichts wirklich zukunftsweisendes, es ist höchstens ein winziger Bruchteil einer Art und Weise wie man das Internet sehen kann (wenn man denn will) wobei aber weite Teile des Internets im Grunde außen vor bleiben, ja selbst große Teile der sog. Blogosphäre außen vor bleiben.
Alles in allem atmet die ganze Sache aus meiner Sicht absolute Selbstüberschätzung. Den A-Bloggern (ein kleines »Möchtegern-elitäres« Grüppchen) reicht es schon lange nicht mehr A-Blogger zu sein. Nein, erst haben sie selbst verkündet sie seien die Internet Avantgarde, dann wurden sie zur Internet-Bohème und ein Stephan Weichert versteigt sich nun gar zu der Aussage, die Blogger seien die neuen Alpha-Journalisten. Wie bitte? Kein Wunder, dass echte Journalisten, die z.T. lange studiert haben, um sich so nennen zu dürfen und die ihre Sporen in langen Jahren verdient haben, da auf die Barrikaden gehen. Wobei ich vielleicht anmerken sollte, dass ich auch nichts davon halte Blogger und Journalisten miteinander zu vergleichen oder gar in Konkurrenz zueinander zu setzen, auch wenn das manche der A-Blogger gerne so hätten.
Was diese A-Blogger tatsächlich gut können, ist sich selbst zu vermarkten (und wer heutzutage etwas »verkaufen« möchte, der muss übertreiben und dick auftragen). Schade nur, dass es diesen A-Bloggern mit ihrem Talent gelingt einer internetfernen Öffentlichkeit vorzugaukeln, alle Blogger seien wie sie und wollten dasselbe wie sie.