Sonntagsimpressionen vom Gespensterwald in Nienhagen
Schon vor Jahren bekam ich den Tipp, doch mal nach Nienhagen an der Ostsee zu fahren, und mir dort den sogenannten Gespensterwald anzuschauen. Dieser Wald wird so bezeichnet, weil der Wald dort bis an die unmittelbare Küstenlinie bzw. den Strand reicht. Durch die Wellen und vor allem dem Wind, den die Buchen dort ausgesetzt sind, sind sie zum Teil sehr gebeugt und verformt, was ihnen ein bizarres Aussehen gibt. In der Dämmerung oder bei Regenwetter und vor allem bei Nebel, können sie dann manchmal schon etwas unheimlich wirken.
Ich hatte also fest vor, dort mal hinzufahren, aber immer und immer wieder klappte es nicht, weil irgendetwas dazwischen kam. Nachdem ich dieses Ausflugsvorhaben Jahr um Jahr aufs nächste Jahr verschieben musste, beschloß ich zu Beginn dieses Jahres, dass ich dieses Jahr dorthin fahren würde, und wenn es der einzige Ausflug sein würde, den ich mache.
Gestern war es nun endlich so weit! Eigentlich ist Nienhagen gar nicht so weit weg von uns, etwa eine Stunde Autofahrt, allerdings muss man aufpassen, dass man nicht aus Versehen ins falsche Nienhagen fährt. An der Strecke liegen nämlich noch zwei Nienhagen, durch eins davon fuhren wir sogar hindurch. ;-) Aber wir wussten ja, wo wir hin wollten. Wir waren frühzeitig genug da, so dass noch nicht ganz so viele Menschen dort unterwegs waren, wie am Sonntagnachmittag. So konnten wir ziemlich ungestört durch den tollen Wald laufen und auch am Strand zogen sich die paar Menschen gut auseinander.
Bei herrlichem Sonnenschein spazierten wir also durch den Wald und bestaunten die alten Buchen. Ab und an hat sich mal eine Birke eingeschlichen oder andere kleinere Bäume. Der Wald bei Nienhagen ist ziemlichem Stress durch die Umweltbedingungen ausgesetzt. Während ich da so spazierte und mir die Bäume beguckte, dachte ich bei mir, dass es schon erstaunlich ist, dass diese bedrohten und gestressten Bäume trotzdem so schön sind und uns Menschen so faszinieren. Und ich war beeindruckt von ihrer Kraft, mit der sie den Elementen ihr Leben abtrotzen. Ich fand das irgendwie auch für mich selbst mutmachend.
Die ganze deutsche Ostseeküste hat in den gerade zurückliegenden Jahren schwere Stürme erlebt und zum Teil ziemlich darunter gelitten. Direkt am bzw. durch den Gespensterwald führt auch der Radfernweg EuroVelo 10, er wird auch als Ostsee-Radweg bezeichnet, meistens direkt an der Ostsee entlang. Durch die Schäden der letzten Jahre, ist der EuroVelo 10 allerdings ab Nienhagen Richtung Börgerende-Rethwisch zur Zeit nicht befahrbar, weil es zu gefährlich geworden ist. Die ganze Steilküste ist von Abstürzen bedroht. Dort müssen die Radfahrer jetzt eine ausgeschilderte Ersatzroute etwas weiter weg von der Küste nehmen.
Aber wir waren ja zu Fuß unterwegs. Natürlich wird überall davor gewarnt, nicht zu nahe an die Abbruchkante heranzugehen und darauf hingewiesen, dass man sich auf eigene Gefahr dort bewegt. Nicht nur eventuelle Abbrüche könnten gefährlich werden, sondern je nach Windstärke kann es durchaus auch im Wald gefährlich sein, denn man muss dort dann jederzeit mit umstürzenden Bäumen bzw. herabstürzenden großen Ästen rechnen. Gestern war es ziemlich windig und der Wind war noch empfindlich kalt. Wir hatten uns eigentlich kleidungstechnisch auch darauf eingestellt, aber merkten dann im Laufe der Zeit, dass wir - ständig diesem kalten Wind ausgesetzt - doch begannen langsam auszukühlen. Zum Glück schien auch die schon starke Frühlingssonne, so dass wir uns an den Stellen wo die Sonne hin kam wieder etwas aufwärmen konnten.
Die Ostsee war entsprechend lebhaft, mit schönen schaumbekrönten Wellen. Es war so schön, mal wieder an der Ostsee zu sein, die Luft zu atmen, die Weite zu empfinden und das Rauschen der Wellen zu hören. Wir genossen den Strandspaziergang sehr. Wir hatten am Ortsende von Nienhagen geparkt und liefen dann von dort zurück Richtung Hauptstrand. Bis zum Mittag waren wir dort, bezahlten brav am Automaten den kleinen Obolus, sprich die Kurtaxe für den Tag. Viele schimpfen über die Kurtaxen an der Ostseeküste, aber wenn man sieht, wieviel Müll die Gäste dort oft zurücklassen und was es z.B. kostet, die Wege instandzuhalten, wenn wieder ein schwerer Sturm die Küste heimgesucht hat, dann denke ich, diese kleinen Beträge sollte es einem schon wert sein. In Nienhagen habe ich den Obolus auch deshalb gerne gezahlt, weil der Hauptstrand barrierefrei angelegt ist. Das ist nicht überall selbstverständlich und kostet die Gemeinde natürlich extra Geld.
Wir suchten uns eine Bank, schauten auf die sonnenbeschienene Ostsee und genossen unsere mitgebrachten Käsebrötchen und heißen Tee.
Dann liefen wir durch den Gespensterwald zurück Richtung Ausgangspunkt unserer Wanderung und genossen die vielen Durchblicke auf die Ostsee und freuten uns auch an den Waldszenen, die sich immer wieder eröffneten.
Überall entlang der Wege durch den Gespensterwald, gibt es Hinweise, dass man nicht unbedingt vom Weg abweichen soll, denn man möchte herabgefallenen Bucheckern oder auch Eicheln die Möglichkeit geben, Wurzeln zu schlagen und zu neuen jungen Bäumen zu werden. Die meisten Besucher scheinen sich daran zu halten, und das wiederum hat einen Nebeneffekt, der mich sehr gefreut hat. Nämlich den, dass es auch große Flächen mit schönem Moos gibt. Moos braucht unglaublich lange, bis es zu Mooskissen wird. Ein Tritt in ein Mooskissen, macht das Wachstum vieler Jahre zunichte. Das ist den meisten Menschen gar nicht bewusst. Und Moose sind wichtig für den Wald, denn sie speichern Feuchtigkeit und gerade der Küstenwald ist darauf angewiesen, denn der ständige Wind trocknet den kargen Sandboden schnell aus. Ich freute mich also sehr über all die Mooskissen, die ich unterwegs sah.
Zum Abschluß des Weges gab es nochmal einen besonders schönen Platz mit herrlichem Ausblick auf die Ostsee.
Glücklich, zufrieden und mit vielen schönen Eindrücken, machten wir uns dann auf den Heimweg. Ein Ausflug zum Gespensterwald bei Nienhagen lohnt sich auf jeden Fall!