Rostock lieben lernen
Als ich vor ca. 4 Jahren das erste Mal nach Rostock kam, standen die Vorzeichen für eine positive Annäherung nicht gerade günstig. Es war nämlich Winter. Schneidender Wind fuhr durch die Stadt, es war eiskalt, es regnete und war überhaupt ein sehr grauer Tag. Wir parkten gleich unten am Stadthafen auf einem öffentlichen Parkplatz voller tiefer Schlaglöcher. Über eine stark befahrene mehrspurige Einfallstraße ging es Richtung Altstadt. Aus dieser Richtung macht es einem die Stadt wahrlich nicht leicht, sich ihr zu nähern, geschweige denn Sympathie für sie zu entwickeln. Es folgte nämlich eine ziemlich lange Treppe, die zu erklimmen war. Es folgte eine noch breitere Straße, diesmal inklusive Straßenbahnschienen und Fahrradspuren, die zu überqueren war. Schließlich ein sehr zugiger Durch- und Aufgang und dann standen wir endlich auf der Haupteinkaufsstrasse in der Altstadt, der Kröpeliner Straße.
Wir liefen entlang der Straße, aber ich glaube, ich war zu durchfroren und mißmutig, um wirklich wahrzunehmen, was es da zu sehen gab. Ich trottete vor mich hin, hier und da betraten wir eines der Geschäfte, bis hinauf zum Neuen Markt. Dann das Ganze wieder retour. Die Stadt sprach mich überhaupt nicht an. Sie kam mir kalt und abweisend vor. Nein, da waren mir Städte wie Schwerin, Greifswald und Wismar viel lieber. Die hatten mich auf Anhieb gehabt und das, obwohl ich mindestens eine davon auch das erstemal im Winter betrat. Nein, ich war mir ziemlich sicher, Rostock als Einkaufsstadt, okay! Mehr aber auch nicht.
Es dauerte Monate, bis ich das zweite Mal nach Rostock kam (immerhin eine gute Stunde Autofahrt von uns entfernt). Oder halt, so stimmt das nicht ganz. Ich war zwischendrin mehrfach in der Stadt gewesen, nämlich in Warnemünde, das ja zu Rostock gehört. Dummerweise (aus Sicht der Warnemünder!) hat die Stadt Rostock nämlich 1323 das Dorf Warnemünde gekauft, um den direkten Zugang zur Ostsee für sich zu sichern.
Warnemünde nun wiederum hat mein Herz gleich bei unserer ersten Begegnung (ebenfalls im Winterhalbjahr) erobert. Das kleine alte Fischerdorf hat sich mittlerweile ganz schön herausgemacht und dürfte vielen vor allem wegen der jährlich stattfindenden Hanse-Sail bekannt sein. Dass Warnemünde direkt an der Ostsee liegt, war natürlich ein weiterer Pluspunkt, der schöne »Alte Strom« mit den Fischerbooten, die kleinen Fischerhäuschen. Ich war entzückt.
Tatsächlich empfinde ich Warnemünde irgendwie als eigenständig. In den Urkunden mag es zu Rostock gehören, in meinem Herzen hat es eigentlich mit Rostock nichts zu tun. Ich muss mich geradezu zwingen, den Stadtteil (allein, das hinzuschreiben!) Warnemünde als Pluspunkt für Rostock anzusehen. Aber die Fakten sind nun mal so und insofern, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, war ich damals zwar mehrfach in der Stadt aber bis ich in die Altstadt Rostocks zurückkehrte, waren Monate vergangen. Inzwischen war Sommer. Die Sonne lachte vom strahlendblauen Himmel, die Möwen kreisten über der Altstadt und ließen ihre Schreie durch die Straßen und Gassen hallen. Ich selbst war deutlich besser gestimmt, als bei meinem ersten Besuch und so guckte ich etwas aufmerksamer rechts und links als wir die Kröpeliner Straße wieder hochwanderten in Richtung Neuer Markt. Ja, hier und da fielen mir sanierte schöne Bürgerhäuser auf, das ein oder andere interessante Detail. Aber wieder fiel mein Fazit nicht wirklich zugunsten von Rostock aus.
Daran änderte sich lange nichts. Stattdessen passierte etwas anderes. Ich vertrete die Ansicht, dass ich die Gegend, in der ich lebe, auch wirklich kennen möchte. In meinem Fall also meine unmittelbare Umgebung und von dort aus weiter Kreise ziehend, das ganze Land Mecklenburg-Vorpommern. Mecklenburg-Vorpommern hat eine ganze Menge womit es zu beeindrucken und zu überzeugen weiß. Schöne alte Hansestädte, sehr sehr viel Natur, Wälder, weite Äcker und Wiesen, unterschiedlichste Landschaften, eine große natürlich Farbpalette, die im Laufe eines Jahres immer wieder wechselt, natürlich die Küstenlandstriche mit der Ostsee, seine Inseln und Halbinseln, tausende von Seen in allen möglichen Größen und und und. Mit der Zeit realisierte ich dann, dass Mecklenburg-Vorpommern viele seiner Kleinode und Schätze aber auch dem flüchtigen Blick oder kurzen Besuch entzieht. Man muss sich schon etwas Zeit nehmen und genau hinsehen, um sie zu entdecken.
Das große Aha-Erlebnis kam dann, als ich das uns nächstgelegene kleine Städtchen Teterow genauer in den Blick nahm. Ich ging Straße für Straße, Gasse für Gasse ab, und bald kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, was es da alles an schönen Details zu entdecken gab. Bis dahin hatte ich gedacht, Teterow habe nicht gerade viel für’s Auge und Herz zu bieten. Doch das Städtchen belehrte mich auf meinen Touren schnell eines besseren. Ich entdeckte ein kleines Aschenputtel, ein Dornröschen, das erobert sein wollte. Als die »Dornenhecken« erstmal durchdrungen waren, präsentierte sich ein (noch halb verschlafenes) Prinzesschen.
Und eines Tages dämmerte es mir, dass es in Mecklenburg noch mehr solcher Dornröschen geben könnte. Städte, Orte, Landstriche, die ihre Schätze nicht gleich alle in die funkelnde Auslage legten, sie nicht gleich alle jedem Dahergelaufenen präsentierten oder laut schreiend anpriesen. Städte, Orte, Landstriche, die sich - vielleicht schüchtern, vielleicht auch ganz bewusst - hinter den großen bekannten Aushängeschildern des Landes etwas versteckten. Von diesen Überlegungen war es nicht weit, bis zur Frage, ob dasselbe vielleicht auch auf Rostock zutreffen könnte? Die Stadt wird zwar auch als Aushängeschild des Landes angepriesen, und man buhlt bereits seit Jahren um die Aufmerksamkeit der jährlich anschwellenden Touristenflut. Und doch … Rostock ist spröder als beispielsweise Schwerin oder Greifswald.
An diesem Punkt angekommen, beschloß ich, was Rostock angeht, nochmal einen neuen Anlauf zu unternehmen. Ich wollte diese Stadt besser kennenlernen. Ihr auf die Schliche kommen, mich von ihren »Dornenhecken« nicht abschrecken lassen, sondern mich ihr vorsichtig aber entschlossen nähern. Vielleicht konnte es es ja doch eine Aussöhnung zwischen uns geben. Langsam begann ich, die Stadt zu erkunden. Und siehe da, es bestätigte sich, was ich vermutet hatte. Rostock hat eine ganze Menge zu bieten, wenn man sich auf die Zeit nimmt, sich auf die Stadt einzulassen, sie wirklich kennenzulernen und ihr offen zu begegnen. Ich werde langsam warm und wärmer mit der Stadt und inzwischen beschleicht mich die Ahnung, dass ich Rostock am Ende sogar lieben werde.
Ich bin jetzt also auf einer Art »Stadt-Reise« und ziehe, ausgehend vom Zentrum der Altstadt, in der Stadt meine Kreise. Hin und wieder will ich hier im Blog zeigen und berichten, was und vielleicht auch wen ich dabei entdecke und so vielleicht Lust darauf machen, Rostock mal zu besuchen und Euch selbst einen Eindruck zu verschaffen. Und wenn ihr nicht selbst mal nach Rostock kommen könnt, dann lernt ihr die Stadt wenigstens auf diesem Wege ein bisschen durch meine Augen kennen.