Habemus Paprika!
Die heißen Tage haben Wunder im Balkongarten gewirkt! Bisher wirkten die Tomatenpflanzen und Paprikapflanzen ja vorwiegend grün und nicht allzu wuchsfreudig, geschweige denn willig Früchte zu produzieren. Kaum wurde es warm und sonnig, sind die Pflanzen geradezu explodiert. Blüten erschienen oder verwandelten sich in erbsengroße bis knapp golfballgroße Tomaten. Das löste bei mir natürlich große Freude aus.
Als ich heute meinen Blick über die Pflanzen streifen ließ, dachte ich erst, ich hätte Halluzinationen, aber nein! Da ist doch tatsächlich die erste Paprika heimlich, und durch das Grün noch gut getarnt zwischen den Blättern, herangewachsen. Habemus Paprika! (siehe Bild ganz oben) Zum wiederholten Mal war ich im Balkongarten völlig aus dem Häuschen! Es ist also die Corno giallo, die gelbe Sorte, die als erste tatsächlich Früchte trägt.
Mit der Corno giallo hatte ich vor ein paar Tagen noch ein anderes Erlebnis. Beim Gießen bemerkte ich auf einmal ein Blatt, das angeknabbert aussah. Nanu? Ich beguckte mir das Blatt genauer, und tatsächlich, mitten drin ein rausgefressenes Loch!! Schnell kontrollierte ich die umgebenden Blätter, die aber intakt waren. Auch die Blätter der anderen Pflanzen unterzog ich einer gründlichen Prüfung. Aber, es war nur dieses eine Blatt angefressen. Als ich mir dessen Rückseite anschauen wollte, hatte ich auf einmal ein winziges grünes Würmchen am Finger sitzen! Vor Schreck schüttelte ich die Hand und es flog in hohem Bogen vom Balkon, bevor ich es mir genauer anschauen konnte. Keine Ahnung, was das für ein Würmchen war und vor allem, wo ist es her gekommen?
Jedenfalls achte ich jetzt sehr auf die Blätter, ob noch an anderen an- oder ausgefressene Stellen auftauchen. Irgendwie argwöhne ich, dass es doch kaum sein kann, dass nur ein einziges winziges Würmchen an die Pflanze geraten ist. Ich hoffe sehr, dass nicht noch mehr davon auftauchen und irgendwann wohlmöglich nicht nur Blätter sondern auch Fruchtansätze oder - Katastrophe! - die Früchte selbst anknabbern!
Auch an der Sweet Dreams Paprikapflanze, die während der Reifezeit alle drei Farben grün - gelb - rot zeigen kann, trägt vielversprechende Fruchtansätze. Aber noch nicht so weit, wie die Corno giallo.
Die Korosko Paprika(rote Sorte) hat zwar sehr viele Blüten aber die Fruchtansätze sind noch sehr winzig. So winzig, dass sich mein Skeptizismus gleich wieder rührt und fürchtet, die bleiben so. Allerdings habe ich ja nun gesehen, wie schnell sich das bei solchen Pflanzen von heut auf morgen verändern kann. Ich warte also geduldig und beobachte mit Argusaugen.
Mit der Erdbeerenernte sind wir wohl zum größten Teil durch. Von vier Sorten gibt es noch vereinzelte heranreifende Früchte, nur die Königin Luise trägt noch eine stattliche Anzahl reifender Früchte, die noch geerntet werden wollen.
Alle fünf alten Sorten haben getragen und teilweise sogar erstaunlich viel, so z.B. die Maikönigin und Königin Luise. Auch die Sorte Wunder von der Peene hat gut getragen, allerdings blieben die Früchte insgesamt relativ klein. In der Beschreibung wurden die großen Früchte hervorgehoben.
Da auch Kaisers Sämling und Direktor Paul Wallbaum bis auf ein, zwei oder drei Ausnahmen eher sehr kleine Früchte produzierten, hege ich den Verdacht, es könnte daran liegen, dass ich die Erdbeeren in Töpfen gezogen habe. Vermutlich doch zu wenig Erde und Platz, um größere Früchte ausbilden zu können.
Die Zucht im Topf hat noch einen weiteren Nachteil, den ich aufgrund von Unerfahrenheit nicht bedacht hatte. Als die (in diesem Fall zum Glück nicht allzu zahlreichen) normalgroßen bis größeren Früchte heranwuchsen, wurden sie natürlich an den Stengeln schwer und hingen dann über den Rand der Töpfe herab. Die Früchte wurden noch schwerer, und irgendwann bemerkte ich dann, dass sie durch ihr Gewicht, die Stengel dort wo sie über die harten Topfränder hingen, quasi abquetschten bzw. abknickten. Das war natürlich nicht im Sinne des Erfinders. In einem Beet ebenerdig gezogen, hätten die Erdbeeren dann den Boden erreicht und hätten dort weiterwachsen können, ohne irgendwas abzuklemmen oder abzuquetschen.
Das wir nur wenige normalgroße bis wirklich große Früchte hatten, war es teilweise schwierig, die Sorten geschmacklich eindeutig zu definieren und miteinander zu vergleichen, mal abgesehen davon, dass ich ja nur von jeder Sorte eine Pflanze hatte. An keinem der Erntetage hatte ich gleichzeitig von allen fünf Sorten Früchte. Ich konnte immer nur zwei, höchstens drei Erdbeersorten geschmacklich miteinander vergleichen. Wobei die kleinen Früchte entweder (für meinen Geschmack) zu säuerlich oder schon Richtung überreif gingen. Ich fand es nämlich auch schwieriger als gedacht, zu entscheiden, ob eine Erdbeere nun »genau richtig« reif war, noch hätte ein zwei Tage hängen können oder schon drüber war.
Insgesamt bin ich aber mit dem Experiment »Das erste Mal im Leben Erdbeeren (und zwar ausdrücklich sehr alte, fast vergessene) Sorten) auf dem Balkon zu ziehen« sehr zufrieden. Ich fand es sehr sehr spannend, die Entwicklung mitzuerleben. Hätte ich dieses Jahr direkt im Garten Erdbeeren ziehen wollen, wäre das Experiment höchstwahrscheinlich weniger erfolgreich verlaufen, denn ringsum klagen die Gartenbesitzer, dass die Erdbeeren in diesem Jahr aufgrund der eher ungünstigen Wetterlagen wenig bis gar nicht getragen haben. Wobei passionierte langjährige Erdbeerzüchter/innen sich jetzt wahrscheinlich wegwerfen vor lachen, was ich als »erfolgreich« bezeichne. Doch, ich bin zufrieden für das erste Mal und bejubele inzwischen jeden Ableger, der sich entwickelt, weil ich gerne im nächsten Jahr das Experiment fortsetzen möchte. Ich will ja schließlich das, was ich in diesem Jahr gelernt und an Erfahrung gesammelt habe, im nächsten Jahr anwenden.
Um den Bogen zurück zum Anfang zu schlagen. »Habemus Paprika!« ist natürlich ein etwas verfrühter Ausruf. Noch haben wir die Paprika nicht. Sie wächst noch (und hoffentlich bald viele weitere) und ist noch längst nicht geerntet. Man soll das Fell des Bären ja nicht verteilen, bevor er erjagt ist. Andererseits ich bin so begeistert, dass da tatsächlich etwas wächst, das wirklich und wahrhaftig aussieht wie eine Paprika. Es hat etwas von einem Triumph. Albern, ich weiß, weil ich hab den geringsten Anteil daran. Es sind die Pflanzen, die erfolgreich den Unbillen des Wetters, sonstigen ungünstigen Bedingungen, meiner Unerfahrenheit und meinem eher ungrünen Daumen trotzen und trotz alledem Frucht bringen! Frei nach Kempowski: »Wie isses nur zu fassen! Zu und zu schön.«