Görlitz ist eine (Winter)Reise wert
Die weltbeste WG-Genossin konnte in der vergangenen Woche einen runden Geburtstag feiern, und da das ja nicht so oft vorkommt, haben wir das zum Anlaß genommen, eine kleine Reise zu unternehmen.
Das heißt, Ihr blieb nicht viel anderes übrig, denn sie erfuhr vorher nur, dass sie rund um ihren Geburtstag auf Reisen sein würde, und dass es ratsam wäre warme Kleidung einzupacken.
Zunächst steuerten wir Lübbenau im Spreewald an, wo wir eine längere Pause einlegten und bei schönstem Sonnenschein ein bisschen herumspazierten.
Die weltbeste WG-Genossin dachte das wäre unser Zielort, und ich beließ sie erstmal in dem Glauben. Als wir dann weiterfuhren, dachte sie, es ginge nun zu unserer Unterkunft. Nach einer Weile wunderte sie sich dann aber schon, dass es noch so weit zur Unterkunft sei.
Kurz darauf tauchte der Name unseres eigentlich Zielortes auf einem Schild auf und dann fiel der Groschen. Görlitz war unser eigentliches Ziel. Wir hatten die Stadt schon sehr lange auf unserer noch-zu-besuchende-Städte-Wunschliste.
Wir erreichten am späten Nachmittag Görlitz und hatten erstmal ziemlich Mühe, unsere Unterkunft zu erreichen. Eine Baustelle an für uns höchstungünstiger Stelle und zu viele Einbahnstraßen, ließen mich nach einigem Herumirren schon fürchten, wir würden die Straße, in der unsere Unterkunft lag, nie erreichen. Da nutzten auch alle Navigationsgeräte nix, denn die wollten uns immer nur wieder an die Stelle zurückführen, an der sich besagte Baustelle befand. Ich habe keine Ahnung, wie wir es letztlich geschafft haben, doch noch in die Straße mit unserer Unterkunft vorzudringen (inzwischen war es dunkel geworden), aber wir waren da.
Wir bezogen das gebuchte »Zimmer«, das tatsächlich ein Appartment mit zwei großen Zimmern und Bad war. Nur eine Küche gab es nicht, aber die brauchten wir auch nicht. Unser Zimmer war sehr persönlich und schön eingerichtet, also nicht typisch Ferienwohnung oder Hotelzimmer. So fühlten wir uns sofort wunderbar wohl und aufgehoben. Mitten in der Altstadt, aber in einer kleinen Nebengasse, in der es schön still war.
Die nächsten Tage verbrachten wir damit Görlitz zu erkunden, und auch über die Altstadtbrücke mal auf die polnische Seite nach Zgorzelec zu wechseln.
Wir besuchten das Schlesische Museum, wo wir viel über die schlesische Geschichte und Görlitz lernten.
Das zweite Museum, das wir besuchten, war das Barockhaus Neißstraße 30. Dort kann man im ersten Stock die Ameiß’schen Wohnung besichtigen, die einen Eindruck von der bürgerliche Kultur des Barockzeitalters in Görlitz vermittelt.
Der zweite Stock des Hauses ist dem Schwerpunkt „Kunst und Wissenschaft um 1800“ gewidmet und würdigt das Wirken der 1779 gegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Man kann dort übrigens heute noch Mitglied werden.
Im zweiten Stock findet sich auch die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, die mein ehemaliges Bibliothekarinnenherz natürlich höher schlagen ließ.
Wir waren sehr beeindruckt vom Fleiß der Mitglieder dieser Gesellschaft, die neben ihrem normalen Alltags- und Berufsleben noch die Zeit fanden zu reisen, zu forschen und zu experimentieren und die unterschiedlichsten Sammlungen zusammenzutragen.
Mein Lieblingsausstellungsstück war eine »Holzbibliothek«, für die der Sammler jeweils Borke und Holz (in einem Stück) verschiedener Bäume gesammelt und dann wie kleine Bücher nebeneinander gereiht hat, wobei die Borke jeweils den »Buchrücken« bildet. Die hätte ich am liebsten mitgenommen und bei mir zuhause aufgestellt. :-)
Wir besuchten außerdem noch die Heiliges-Grab-Anlage und sahen uns das Gelände samt Kapellen und Grabstelle an und wanderten anschließend auf dem Prozessions- bzw. Kreuzweg wieder zurück in die Altstadt.
Leider konnten wir die Peterskirche nicht besichtigen, da dort gerade restauriert und gebaut wird, und sie zudem im Winter aus kältetechnischen Gründen für einige Zeit geschlossen ist. Ich habe das besonders bedauert, weil ich gerne die berühmte Sonnenorgel gesehen hätte. Nun ja, ein weiterer Grund, vielleicht irgendwann nochmal nach Görlitz zurückzukehren. Wer weiß!?
Wir erkundeten das Villenviertel von Görlitz und bewunderten die prächtigen Villen. Viele sehr schön restauriert, andere leider noch in erbärmlichem Zustand.
Außerdem liefen wir noch zu verschiedenen Aussichtspunkten, von denen aus man das Neißeviadukt sehen kann. Das 475 Meter lange Viadukt gehört zu den größten und ältesten Eisenbahnbrücken in Deutschland und ist wirklich beeindruckend.
Görlitz hat uns wirklich gut gefallen und ist tatsächlich auch im Winter eine Reise wert. Wir haben es jedenfalls neben vielem anderen sehr genossen, dass die Stadt nicht mit Touristen überlaufen war - wie wohl im Sommer -, wir in Ruhe fotografieren konnten und auch keine Mühe hatten, in den angesagten Restaurants einen Platz zu bekommen. Im Sommer muss man wohl auf jeden Fall reservieren, wenn man sicher einen Platz haben möchte. Die Görlitzer waren wirklich ausgesprochen freundlich und mehrfach erlebten wir, dass sie sich hoch erfreut zeigten, dass wir ihre Stadt um diese Jahreszeit besuchten.
An einem der Tage fuhren wir noch zum Kloster St. Marienthal bei Ostritz und bewunderten die riesige Klosteranlage, die noch immer damit zu tun hat, sich vom letzten großen Neiße-Hochwasser im August 2010 zu erholen. Die gesamte Klosteranlage wurde geflutet, in einigen Gebäuden stand das Wasser 2,30 hoch in den Räumen.
Sehr beeindruckt waren wir dort auch von der wirklich ungewöhnlich schönen Klosterkirche.
Von St. Marienthal fuhren wir gleich noch weiter ins Zittauer Gebirge und machten kurze Abstecher in die Kurorte Jonsdorf und Oybin, die wohl sehr beliebt sind. Dort wurde fleißig gerodelt und Ski gefahren (wir nicht!), und wir waren beeindruckt von den Felsformationen in dieser Region.
Am Abreisetag wollten wir eigentlich noch nach Bautzen fahren, um das dortige Sorbische Museum zu besuchen, aber da machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. In der Nacht vorher hatte es angefangen richtig zu schneien (an den Tagen vorher hatte es nur immer mal kurz Schnee gerieselt), und für den Abreisetag wurde noch mit weiteren größeren Schneefällen gerechnet. Also ließen wir Bautzen dann doch ausfallen und machen uns stattdessen über verschneite Landstraßen entlang der Neiße und polnischen Grenze sehr langsam auf den Heimweg.