Privates ·Tagesnotizen 2017 ·Vogelliebe

Was los war am 28. Januar 2017

Ab heute soll das Wetter schlechter werden, aber gestern war nochmal ein schöner sonniger Tag.

Auf unserem Balkon ist ein gebogener Stab verankert. Der Bogen reicht über die Balkonbrüstung hinaus und am Ende des Bogens hängt das gut besuchte Vogelhäuschen. Die Tischmanieren der Besucher lassen allerdings ziemlich zu wünschen übrig, und so landet ein Teil ihrer Hinterlassenschaften (Sonnenblumenkernspelzen u.ä.) teilweise eben doch auf dem Balkon.

Wenn wir nicht irgendwann knöcheltief durch den Dreck waten wollen, müssen wir also ab und an mal eine Zwischenreinigung einlegen, mal ganz abgesehen davon, dass es auch für die kleinen gefiederten Besucher hygienischer ist.

Diese Reinigungsaktion kann natürlich nicht stattfinden, wenn das Wetter nass ist, also bei Regen oder Schnee, denn das gäbe nur ein riesen Gematsche. Deshalb nutzte ich gestern die Gelegenheit, trug den Staubsauger auf den Balkon hinaus und saugte den kompletten Balkon ab, bevor eventuell Regen kommt.

Währenddessen saßen die Meisen im Walnussbaum und zeterten um die Wette, weil ich die Frechheit besaß auf dem Balkon herumzuturnen und sie damit von ihrer Mahlzeit abhielt. Undankbares Vogelvolk!! Na gut, ich kann es ja verstehen, und deshalb habe ich mich auch sehr beeilt und so schnell es ging das Feld wieder geräumt.

***

Auf meinen Spaziergang am Nachmittag nahm ich ein altes Fernglas mit und verlegte mich darauf, Vögel zu entdecken.

Erst hören, dann versuchen zu orten und dann mit dem Fernglas beobachten. Ich war aber wahrscheinlich schon etwas zu spät unterwegs, denn es waren nicht mehr viele Vögel unterwegs.

Ich finde das ungeheuer entspannend, und zu beobachten, wie sie sich verhalten, macht mir richtiggehend Freude.
Wahrscheinlich werde ich jetzt langsam doch etwas wunderlich. Ach was soll’s! Stört mich überhaupt nicht!

***

Tatsächlich finde ich es schade, dass ich in meiner Kindheit oder Jugend niemanden um mich herum hatte, der mich schon damals auf die Wunder der Natur hingewiesen hat.
Niemanden, der mir die Natur wenigstens etwas hätte erklären können. Niemanden, der gesagt hätte

»Schau, hier wächst ein Kraut, das heißt soundso und daraus kann man einen Tee gegen Husten brauen«, oder

»aus diesen Gräsern lassen sich die schönsten Kränze binden«, oder

»dieser Pilz heißt soundso und mundet herrlich. Du erkennst ihn daunddaran!«

Es gab niemanden, der mir gezeigt hätte, wo die Rotkehlchen ihre Nester bauen, welche Beeren die Gimpel am liebsten mögen, und was die liebsten Verstecke der Amseln sind.

Ich war umgeben von Menschen, die die Natur eher als »GEFÄHRLICH« darstellten und empfanden.

Was man sich da alles einfangen konnte! Und erst die wilden Tiere! Und überhaupt, die Natur ist grausam!!

»Du hast wilde Brombeeren entdeckt? Die hast Du ja wohl nicht gegessen?? Iss die bloß nicht! Du bekommst den Fuchsbandwurm und dann musst Du steeeeerben!!!1!!«

»Du hast einen Fuchs gesehen? Ach, es war nur ein Eichhörnchen? Egal, ergreife bloß die Flucht, wenn Du wilde Tiere siehst! Die haben alle Tollwut und nix anderes im Sinn, als Dich zu beißen und dann bekommst DU die Tollwut und gehst elendiglich zugrunde!«

Und überhaupt, »in der Natur machst Du Dich dreckig und dann schleppst Du den ganzen Dreck wohlmöglich auch noch nach Hause! Halt Dich am besten fern von der Natur!!«

Sie können mir glauben, es grenzt schon an ein Wunder, dass meine Naturliebe in diesem Umfeld überlebt hat. Ganz ohne Folgen blieb diese Erziehung natürlich nicht.

Manche Warnsätze blieben in mir stecken, nisteten sich irgendwo ein, und noch heute kann es sein, wenn ich irgendwo in der Natur bin, dass diese Sätze plötzlich anfangen sich zu regen und an die Oberfläche meines Bewusstseins zu steigen. Dann hallt es plötzlich warnend in meinem Kopf »Pass auf! Der Fuchs hat bestimmt Schaum vorm Maul, und gleich wird er Jagd auf Dich machen und dann ist es aus mit Dir!«.

Es sind Echos aus einer längst vergangenen Zeit meines Lebens. Ich höre sie, aber ich weiß, sie sind nur Echos.

Ich laufe nicht vor dem Fuchs, der 10 Meter von mir entfernt auf dem Weg steht, davon. Ich nicke ihm stattdessen in stillem Einvernehmen zu und fühle mich seltsam geehrt, dass er mir erlaubt hat, ihn von so nah zu sehen. Dass er nicht gleich davonspringt oder sich von Anfang an verborgen gehalten hat.

Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich finde den Gedanken, irgendwo in der freien Natur zu sterben, gar nicht so furchtbar. Es gibt wesentlich furchtbarere Orte, an denen man sterben kann.

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