Und noch mehr tolle Worte, oder: Eine Buchempfehlung!
Gerade rechtzeitig zum ersten richtigen Schneefall bei uns, haben wir unser neues Vogelhäuschen eingeweiht.
Das vorige Häuschen war um einiges kleiner, und wir waren mehrfach am Tag damit beschäftigt, es bei Wind und Regenwetter wieder aufzufüllen.
Mehrere Winter hat es tapfer der Witterung getrotzt, aber jetzt war es doch ziemlich abgewrackt, und als es dann auch noch beim Wiederbefüllen herunterfiel, brach es teils auseinander. Wir konnten es zwar kurzfristig flicken, aber es war klar, es muss ersetzt werden.
Das neue Vogelhäuschen ist allerdings etwas anders konstruiert, und so konnten wir beobachten, wie die Vögel sich erstmal umgewöhnen mussten. Das gab zunächst ein ziemliches Geflatter und Geschwirre, aber inzwischen haben die meisten es heraus, und es herrscht das übliche Gedränge und Gepiepse, womit ich beim eigentlichen Thema bin.
Ich erfreue mich in letzter Zeit nämlich nicht nur an verschiedenen Bezeichnungen für Schnee, sondern ebenfalls an der Lektüre des Buches Singt der Vogel, ruft er oder schlägt er - Handwörterbuch der Vogellaute von Peter Krauss.
Das ist natürlich eher ein Nischenthema, entpuppte sich aber durchaus als spannend. Unfassbar wie viele unterschiedliche Bezeichnungen es für die Laute gibt, die Vögel aller Art so von sich geben.
Es geht einmal durch das Vogelalphabet, von Ammer bis Zwergschnepfe.
Man erfährt nicht nur den im Deutschen gebräuchlichen Namen, sondern auch den lateinischen, englischen, französischen Namen, und sogar die chinesischen Zeichen und was sie bedeuten.
Und dann natürlich die Worte, mit denen die Rufe (Bettel-, Lock-, Warn-, Alarm-, Balzruf), Gesänge und sonstige Laute der jeweiligen Vögel benannt wurden und werden.
Klassisch, und bis heute weit verbreitet sind natürlich singen, pfeifen und schlagen, aber es gibt noch viel viel mehr und vor allem genauere alte Verben, die benennen, was die Vögel da gerade von sich geben bzw. tun. Viele Rufe der Vögel werden auch mit sogenannten »Schallwörtern« wiedergegeben, also Lautmalereien, die die Rufe nachahmen.
Die Leser erfahren auch viele andere Details. So war ich zum Beispiel recht erstaunt, welche Vögel zu bestimmten Zeiten verspeist wurden. Der Geschmack des Rohrdommel-Fleisches wird als »ölig« beschrieben.
In manchen Dörfern wurden Schwalben und Mauersegler verspeist und zwar, obwohl ihr Fleisch nicht selten voller Kratzer (Würmer) war. *schüttel*
Das Finken zu Zeiten gerne als Käfigvögel gehalten wurden, weil sie so schön singen, wusste ich schon, aber das gute Sänger unter den Finken um 1825 umgerechnet bis zu 30 Mark kosteten, was ein kleines Vermögen war, wusste ich nicht. Wenn ein Fink dann am Ende seines Schlags (Rufs) die Silbe pink hinzufügte, wurde das von den Vogelhändlern als »Amen« interpretiert und der Preis für so einen Finken konnte in unbegrenzte Höhen steigen.
Der Leser erfährt, dass der Gartenrotschwanz wegen seines Sängertalents in Luxemburg Stennuechtegeilchen (Steinnachtigällchen) genannt wird.
Oder dass der Bestand der Kiebitze um 1900 stark zurückgegangen war, weil viele Menschen wie wild deren Eier suchten, um sie als Delikatesse zu verkaufen. In Erlangen verkaufte 1904 ein Händler an einem Tag 170 frische Kiebitzeier!
Einige meiner neuen Lieblingsverben: Die Wachteln bickbewicken, die Lerchen dirdirlieren oder quinkelieren, Grasmücken, Schwalben und Spatzen gigitzen und Bussarde hiähen.
Bussarde, Eulen und Falken sind ziemlich albern, sie kichern nämlich. Der Zaunkönig krispelt. Bussarde, Eichelhäher und Möwen miauen auch ganz gerne mal. Die Bekassinen murkeln oder murksen vor sich hin.
Der Pfau pfuchzt. Der Wiedehopf poppelt, während das Birkhuhn pullert. Wirklich wahr, steht so im Buch!
Die Tannenmeisen pritschen. Garten- und Hausrotschwanz sowie das Rotkehlchen schnickern.
Sind das nicht alles großartige Worte?
Spannend fand ich, wie manche zusätzliche gebräuchliche Namen für Vögel zustande gekommen sind. So wurde die Grauammer auch als Strumpfwirker bezeichnet, weil ihr Gesang dem Geräusch der von diesen Handwerkern benutzten Maschine ähnelt.
Der Stieglitz oder Distelfink, wurde im Bayerischen auch Zamkratzi genannt. Der Name ging zurück auf die Legende, dass Gott bei der Schöpfung die Farbe ausgegangen sei, und er die Farbreste zusammenkratzen musste, um auch den Stieglitz noch mit etwas Farbe auszustatten, womit die rot-weiß-gelb-schwarzen Farbtupfer seines Federkleides erklärt wurden.
Der Pirol (Goldamsel in der Schweiz) war auch bekannt als Bülow, weil seine Lockstimme so klang.
Die Finnen hörten aus seinem Ruf den Satz »kuhaa kiehuu«, was bedeutet: »Der Zander kocht«, weshalb der Pirol in Finnland auch Zanderkocher bzw. Kuhankeittäjä genannt wurde.
Schön, dass bei verschiedenen der aufgeführten Vögel die Strophen ihrer Gesänge oder die Hauptmotive mit den entsprechenden Noten dargestellt werden.
Es gibt tatsächlich Leute, die sich z.B. Amselmelodien in Noten notieren und diese sammeln. Dabei wird gewissenhaft notiert, um wieviel Uhr und wo genau, die jeweilige Amselmelodie abgelauscht wurde.
Das wäre doch auch mal ein nettes Hobby für das Alter, wenn man nicht mehr so gut zu Fuß ist, um den Vögeln nachzujagen. Da kann man ganz gemütlich, z.B. im Park oder gleich auf dem Friedhof sitzen und die Amseln belauschen (sofern man noch nicht taub geworden ist)! Großartig!
Dass in den Märchen der Gebrüder Grimm oft Vögel vorkommen, war mir bewusst, aber ich war doch erstaunt, wie viele verschiedene es sind und erfuhr von (Vogel)Märchen aus deren Sammlung, die mir bisher gar nicht bekannt waren, und die ich daher nach und nach mal nachlesen möchte.
Und wusstet Ihr z.B., dass der Adoptivvater des »Märchensammlers« Ludwig Bechstein (1801-1860), sein Onkel Johann Matthäus Bechstein (1757-1822), als »Vater der deutschen Vogelkunde« und Pionier des Naturschutzes und der wissenschaftlichen Ornithologie gilt? Eben, ich auch nicht.
Sehr reizvoll ist, dass es zu jedem im Buch behandelten Vogel auch eine schöne Illustration gibt, wunderbare kleine Kunstwerke, die ich mir gerne angeschaut habe und deretwegen man das Buch öfter in die Hand nehmen und nochmal darin herumblättern möchte.
Das Buch wird abgeschlossen mit mehreren Anhängen, einer umfangreichen Bibliographie der verwendeten und weiterführender Werke, einem Abbildungsverzeichnis, einem Index der deutschen Verben und welchen Vögeln sie zuzuordnen sind, sowie einem Index der deutschen Vogelnamen (ohne regionale Benennungen)
Wer schon damit beginnt, Geschenkideen für die nächsten anstehenden Geburtstage oder das nächste Weihnachtsfest zu sammeln und Menschen kennt, die die Natur und insbesondere Vögel lieben, kann das Büchlein (mit Lesebändchen!) mit seinen 224 Seiten getrost auf seine Liste setzen und landet garantiert einen Geschenkevolltreffer.
Herausgegeben ist das Buch von der sowieso großartigen Judith Schalansky als Naturkunden N°33 bei Matthes & Seitz, Berlin.